Alltagsleben im märkischen Dorf des 13. Jahrhunderts
Ruth Maria Hirschberg, Juni 2001
Dörfliches Leben
Das ländliche Leben war sehr stark von der Tageslichtlänge beeinflußt: bei Helligkeit wurde gearbeitet und bei Dunkelheit geschlafen. Dadurch ergaben sich sehr lange Arbeitstage im Sommer und kurze im Winter. War die Arbeit bei Tageslicht getan, so blieb den Bauern nur übrig, in den einfachen und nur spärlich mit Mobiliar versehenen Häusern bei Schein der Kienspäne und des Herdfeuers solche Arbeiten zu erledigen, die nur wenig Licht erforderten.
Die Häuser eines Dorfes konnten ganz unterschiedlich gebaut sein – neben Blockhäusern und Spaltbohlenhäusern aus Eichenholz kamen aus mit Lehm beworfenen Flechtwänden oder in Rähmbautechnik erbaute, in der Regel ebenerdige, seltener auch über Feldsteingrundmauern erbaute Häuser vor. Die Dächer waren meist riedgedeckt.
Die Block-, Fachwerk- und Stabbohlenbauten des 12. bis 14. Jh wurden oft einfach auf die Erdoberfläche gesetzt, besaßen also weder Fundamente noch an den Hausecken untergelegte Steine. Verbrennt oder verfällt ein solches Haus, so bleibt außer Asche, Holzkohle und Lehm wenig. Aus diesem Grunde sind die teilweise oder ganz unterkellerten Häuser sowie die sogenannten Grubenhäuser archäologisch besser erfaßt. Grubenhäuser boten mehrere Vorteile – der vertiefte untere Raum war im Sommer kühler, im Winter etwas wärmer und ermöglichte eine etwas höhere Luftfeuchtigkeit, was vor allem bei der Verarbeitung von Flachsfasern, also beim Spinnen und Weben erwünscht war. Eine Grundbauweise war der primitive Stabbau. Auf einem auf die plane Erde bzw. an den Ecken und in der Mitte der Längsseiten auf Steine gesetzten Schwellenkranz erhob sich ein Gerüst aus senkrechten Holzständern in den Ecken und - seltener - in der Mitte der Längsseiten. Darauf lag der die Ständer verbindende horizontale Rahmen (Rähm), auf dem das Dach oder ein zweites Geschoß ruhte. Die Wände wurden durch von außen aufgesetzte 6 bis 20 cm breite Bohlen verschlossen, entweder Vierkant- oder Spaltbohlen. Die Bohlen wurden am Schwellenkranz mit Nut oder Falz befestigt oder angenagelt bzw. am unteren Schwellenkranz unterschiedlich weit in die Erde eingegraben. Wenn die Spaltbohlen große Zwischenräume freiließen, setzte man noch eine zusätzliche 8 bis 16 cm starke Lehmwand an, die gegen die hölzerne Spaltbohlenwand gedrückt wurde.
Form und Größe der Bauten konnten stark variieren – es gab Bauwerke mit und ohne Herdstelle sowie Speicherbauten, die im Grundriß turmartig gewesen sein dürften. Üblicherweise waren die Gebäude rechteckig, es gab aber auch solche mit abgerundeten Ecken oder eingezogenem Eingang. Anhand von Grabungsbefunden kann man innerhalb der Häuser kleinere Einbauten erkennen, die eine geringe Höhe aufweisen. Man vermutet, daß es sich dabei um die halbhohen Wände von Viehboxen handelt. Diese wären jedoch für ausgewachsenes Vieh zu kurz, so daß hier wahrscheinlich im Winter nur das Jungvieh oder Kleinvieh eingestallt wurde, um es vor der Kälte zu schützen. Die Häuser, die in der Regel keine Bodendielen aufwiesen, verfügten als natürliche Lichtquelle nur über zwei Rauchlöcher an den beiden Giebelseiten und über eine kleine Tür. Aus manchen Ausgrabungsbefunden ist ersichtlich, daß ein kleines, ca. 30 x 40 cm großes Fenster in die Wand eines Hauses eingelassen war. Bei diesen schlechten Lichtverhältnissen wurden deshalb die meisten Tätigkeiten im Freien erledigt, sofern es die Witterungsbedingungen zuließen. Das Herdfeuer war selbst im Winter die einzige Wärmequelle im Haus und durfte nicht allzu groß sein, damit das leicht brennbare Dach des Hauses nicht in Brand geriet. Erfahrungen aus Museumsdörfern mit rekonstruierten Häusern ergaben, daß selbst bei Frost unter der Voraussetzung ständigen Heizens allein mit dem Herdfeuer Durchschnittstemperaturen von 18 Grad erreicht werden konnten. Allerdings war diese Wärme mit anderen Unannehmlichkeiten erkauft: im Dachstuhl der Häuser stand ständig eine Wolke beißenden Qualmes, und wenn das Brennholz feucht war, senkte sich diese Rauchdecke so tief, daß man oft nicht aufrecht stehen konnte. Zusätzliche Wärme wurde im Winter durch die im Hause im gleichen Raum aufgestallten Tiere produziert. Die Einrichtung der einfachen Bauernhäuser war karg. Es gab an der Wand befestigte Holzbohlen, die als Regalbretter fungierten, und einen befestigten Feuerplatz. Zusätzlich konnten größere Vorratsgefäße (Daubengefäße und Mollen) vorhanden sein. Als Mobiliar fanden sich vermutlich einfache Hocker aus Baumstammstücken bzw. Bänke und Hocker aus halbierten Stammstücken oder Holzbohlen, in die einfache Füße eingezapft wurden. Ähnlich waren wohl die einfachen Tische konstruiert. Als weiterer wichtiger Bestandteil der Inneneinrichtung ist der Gewichtswebstuhl anzusehen, der wenn nicht in allen so doch den meisten Bauernhäusern vorhanden gewesen sein wird.
Die Wasserversorgung erfolgte über Brunnen, die dörfliches Gemeinschaftseigentum waren bzw. direkt aus angrenzenden Gewässern. An Gewässerufern können häufig schmale, mit Feldsteinen befestigte Wasserschöpfstellen nachgewiesen werden. Das Flußwasser war sehr sauber und konnte in den meisten Fällen ohne weiteres als Trinkwasser verwendet werden. Größere Höfe hatten auch eigene Brunnen.
Aus Grabungen in Potsdam weiß man, daß der Grundwasserspiegel im 13. Jahrhundert dort etwa 2 m unter der Wasseroberfläche lag, so daß man mit Kasten- bzw. Faß-förmigen Sickerbrunnen Wasser gewinnen konnte. Der hölzerne Kasten oder das Faß wurden in in entsprechender Tiefe gegrabene Erdgruben verankert. Die hölzernen Bohlen (meist Eiche) verquollen im Grundwasser so stark, daß kaum Sand eindrang. Der Boden wurde mit Steinen bedeckt, um das Aufwirbeln von Sand beim Wasserschöpfen zu verhindern. Der Brunnenschacht war bis zur Oberfläche mit Bohlen verkleidet, die noch etwa 30 bis 50 cm über die Oberfläche herausragten und mit einer Klappe oder einem Dach überdeckt wurden. Das Wasser wurde mit Hilfe eines Brunnengalgens oder einer Seiltrommel geschöpft.
Ernährung der Bauern
Die Ernährung der Bauern war einfach. Man aß viel Grütze, Brot, das in die dicke Suppe (Eintopf) oder Milch gebrockt wurde, Käse und Eier. Dadurch war die Ernährung insgesamt sehr getreidelastig. Wahrscheinlich stand auf dem Lande Fleisch viel weniger oft auf dem Speiseplan als es für die Städte überliefert ist. Fleisch war besonders als Rauchfleisch beliebt: Im Dach der Häuser konnten durch den dort ständig stehenden Rauch des Herdfeuers die sogannten Rauchhühner, Rauchgänse und Schinken für lange Zeit haltbar gemacht werden, neben dem Einsalzen (Pökeln) die einzige Möglichkeit der Konservierung. Wasser, Milch und Bier löschten den Durst. Man trank das vom Krüger oder auf dem vielleicht vorhandenen Adelshof gebraute Bier (den heutigen Alt- und Starkbieren entsprechende Biere) sowie eventuell den aus vergorenem Honig gewonnenen Honigwein (Met).
Landadel und Ministerialen
Auch der Adel und die Ministerialen bewohnten einfache, vom Herdfeuer erwärmte Häuser. Ihre Lebensführung war ebenfalls ähnlich wie die der Bauern, wenn auch einfache Arbeiten von Gesinde und Landarbeitern übernommen wurden, und die Herren (und Damen) eher verwalterische Aufgaben übernahmen. Die Tafel in den Herrenhäusern konnte insofern reichhaltiger und abwechslungsreicher gedeckt sein, als Adlige und – als besondere Vergünstigung - auch Ministeriale und Schulzen jagen durfte. Deshalb kann davon ausgegangen werden, daß hier Fleisch, insbesondere Geflügel und Wild, häufiger gegessen wurde.
Erst im ausgehenden 13. und beginnenden 14. Jahrhundert hob sich der Adlige, der das aufstrebende und zu Wohlstand gelangte städtische Bürgertum nachzuahmen versuchte, in seiner Lebensweise stärker vom abgabepflichtigen Bauern ab. Innerhalb der Adelshöfe entstanden nun auf Feldsteinfundamenten gesetze Fachwerkhäuser, dazu manchmal auch ein anfangs aus Holz, später aus Stein oder Ziegeln errichteter Turm. Mit Hilfe der ihm dann auch zu Diensten verpflichteten Bauern konnte der Landadel aus Feldsteinen gemauerte Tiefbrunnen auf seinen Höfen anlegen. Die Ausstattung der Wohnräume, auch wenn sie noch innerhalb der Fachwerkbauten lagen, wurde komfortabler: Fenster sorgten für Licht, der einfache Kienspan wurde durch Öllampen und Kerzen ersetzt und die Heizung des Raumes übernahm nicht mehr das Herdfeuer oder der Kamin, sondern bereits ein Ofen, der aus sogenannten Topfkacheln gebaut wurde. Der Unterschied im Lebensstandard zwischen Landadel bzw. Rittern und den Bauern wurde von nun an ständig größer, dies führte aber auch zu einer verstärkten Verschuldung der ländlichen Oberschicht.
Literatur
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