Die Doppelstadt Cölln - Berlin im 13. Jahrhundert
Der vorliegende Text soll eine kleine Einführung über die hochmittelalterliche Entstehungsgeschichte Berlins geben.
Die erste Erwähnung Berlins stammt aus dem Jahre 1237. Genau genommen wird nicht Berlin, sondern Cölln erwähnt. Berlin war nämlich zu diesem Zeitpunkt noch eine durch die Spree getrennte Doppelstadt, bestehend aus Berlin und Cölln. 1244 erscheint dann auch die Schwesterstadt Berlin in den Urkunden, als Stadt wird sie aber erst 1251 erwähnt, wobei aus der Urkunde ersichtlich ist, daß Berlin das Stadtrecht schon vorher besaß. Obwohl Berlin und Cölln erst 1709 wirklich zum Gemeinwesen Berlin vereinigt wurden, waren beide Städte von Anfang an eng ineinander verzahnt. So hatten sich beide Städte bereits 1307 zu einer Art Bundesstaat zusammengeschlossen. Da Berlin an Fläche und Einwohnerzahl etwa doppelt so groß wie Cölln war, setzte sich früh die einheitliche Bezeichnung Berlin durch.
Siegel von Berlin 1253; Quelle: Dr. Hermann, Brosien: : Das Wissen der Gegenwart - Preußische Geschichte - Geschichte der Mark Brandenburg. Greßner & Schramm. Leipzig 1887, Seite 68
Berlin und auch das gleichzeitig entstandene Cölln waren keine natürlich gewachsenen Städte, sondern Gründerstädte der Zeit um 1200. 2012 wurden in der Stralauer Str. Holzbalken eines Fachwerkbaus (vermutlich eines Kaufmannes) freigelegt, die sich auf 1174 datieren ließen. Viele Orte der Mark lassen sich auf alte slawische Niederlassungen zurückführen. Dies ist bei Berlin nicht der Fall. Auch die alte These, Berlin wäre aus einem slawischen Fischerdorf entstanden, läßt sich aufgrund der archäologischen Untersuchungen nicht bestätigen. Vielmehr wurde Berlin gezielt von den Askaniern gegründet.
Als Basis zur Sicherung der politischen und wirtschaftlichen Machtposition - besonders im Hinblick für einen Vorstoß hin zu Oder und Ostsee - hatten die askanischen Markgrafen bis ins 13. Jahrhundert hinein Spandau ausgebaut. Ein weiterer wichtigerer Stützpunkt für diese Expansionspolitik wäre die alte spreeslawische Metropole Köpenick gewesen. Die war im beginnenden 13. Jahrhundert jedoch schon in der Hand der Markgrafen von Meißen, einem der Hauptrivalen der Askanier. Vermutlich gründeten die Askanier deswegen Berlin. Die Stadt lag im Kreuzungspunkt alter Fernverkehrsstraßen, so daß sie noch im 13. Jahrhundert zum beherrschenden Platz für den Fernhandel werden konnte. Damit aber fügten die Askanier Köpenick bzw. den konkurrierenden Markgrafen von Meißen (bewußt) schweren handelspolitischen Schaden zu. Allerdings auch dem eigenen Spandau, das durch die Nähe des sich schnell entwickelnden Berlins stark an Bedeutung verlor.
Berlin wurde durch die markgräfliche Förderung schnell zur bedeutendsten märkischen Stadt. Schon 1280 fand sich hier fast der gesamte märkische Adel zum ersten märkischen Landtag ein, was unter anderem auch eine ausreichende Kapazität an Quartieren voraussetzte. Berliner Kaufleute betrieben einen lohnenden Fernhandel nach Hamburg und weiter nach Russland, den Niederlanden und Flandern. Ausfuhrprodukt war vor allem märkischer Roggen und Eichenholz. Berlins Kaufleute beherrschten den Fernhandel, so daß sich die Stadt schnell von anderen, handwerklich orientierten Städten absetzte. Der Handel in Berlin blühte auch mit Textilien (eingeführt wurden überwiegend flandrische Stoffe, ausgeführt einheimische Produktion an Woll- und mehr noch Leinengewebe), Gewürzen, Fisch, Bier und Wein. Gegenüber anderen Städten wurde Berlin durch die Markgrafen noch durch das Privileg der "Niederlage" bevorzugt, wodurch Fremde Händler gezwungen wurden, ihre Waren in der Stadt anzubieten (oder eine entsprechende Gebühr zu entrichten). Die Berliner erhielten so günstige Einkaufsmöglichkeiten.
Auch in Berlin wurde die Stadtverwaltung, der Rat, erstmals von einem markgräflichen Beamten, dem Schulzen, eingesetzt. Er bestimmte die Schöppen (Schöffen), mit denen er gemeinsam Recht sprach. Der Rat in Berlin bestand aus 12 Mitgliedern, davon zwei Bürgermeistern. Der Rat wurde alle zwei Jahre neu gewählt, wobei er in der Praxis wohl immer vom großkaufmännisch orientierten Patriziat gebildet wurde. Die sich zunehmend in Zünften organisierenden, zahlenmäßig überwiegenden Handwerker konnten ihren Anspruch auf Mitbestimmung erst im 14. Jahrhundert durchsetzen.
Vom hochmittelalterlichen Kern der Marienkirche direkt neben dem Fernsehturm ist nicht viel übrig geblieben
Das ursprüngliche Zentrum Berlins lag vermutlich auf einer Sandkuppe der Berliner Insel, auf der noch heute die Nikolaikirche (errichtet vor 1244) steht. Die Neustadt von Berlin mit der Marienkirche wurde von den Markgrafen dann vermutlich um 1230 auf der gleichen Insel gegründet, von einer Besiedlung bereits im ausgehenden 12. Jahrhundert kann aufgrund archäologischer Befunde jedoch ausgegangen werden. Auf der Cöllner Insel entstand die Kernsiedlung ebenfalls auf einer Sandkuppe, auf der die Petrikirche errichtet wurde.
Berlin – frühes 13. Jahrhundert; gemäß Plänen von Winfried Schich u. Johann Gregor Memhardt; Legende: 1 - Alter Hof der Markgrafen, 2 – Nikolaikirche, 3 – Holzbrücke, 4 – Petrikirche, A - Standort des heutigen Fernsehturms am Alexanderplatz
An der östlichen Ausfallstraße Berlins lag die "Aula Berlin", wobei es sich vermutlich um einen in Holz-Erdebauweise befestigten Hof, den markgräflichen Wohnsitz am Ort (Curia), gehandelt hat. Wohl um 1250 ließen die Markgrafen hier einen Steinbau errichten, das "Alte Haus". Dieses wurde gegen Ende des 13. Jahrhunderts durch das "Hohe Haus" ersetzt, auf dessen Gelände später das Stadtschloß errichtet wurde. Verbunden waren die beiden Städte ursprünglich nur durch eine Holzbrücke, dem späteren Mühlendamm. Das "Hohe Haus" wurde 1931 endgültig abgerissen. Lediglich das gotische Eingangsportal ist heute noch im Märkischen Museum zu besichtigen.
Reste der mittelalterlichen Stadtmauer finden sich noch heute in der Waisenstraße
Die älteste Befestigung Berlins war vermutlich eine Holzpalisade. Sie wurde in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts durch Ziegelmauerwerk verstärkt, bevor sie ab 1250 durch eine Feldsteinmauer ersetzt wurde. Diese Feldsteinmauer wurde abermals zu Ende des 13. Jahrhunderts durch Aufsatz von Ziegelmauerwerk verstärkt, so daß sie eine Höhe von 6 m erhielt, heute sind Reste dieser Befestigung noch in der Littenstraße und Waisenstraße sichtbar. Durch die Insellage Berlins und Cöllns waren die Städte noch zusätzlich geschützt. Gemeinsam mit dem burgähnlichen markgräflichen Hof ließen sich so leicht alle drei Arme der Spree als wichtiger Wasserweg kontrollieren bzw. sperren. Dazu wurde die Spree mittels eingeschlagener Eichenpfähle bis auf einen schmalen Durchlaß für Schiffe unpassierbar gemacht. Den Durchlaß konnte man dann mit einem schwimmenden Baumstamm leicht verschließen (daher auch Unter- und Oberbaumbrücke).
Berlin – spätes 13. Jahrhundert; gemäß Plänen von Winfried Schich u. Johann Gregor Memhardt; Legende: 1 – Hohe Haus der Markgrafen, 2 – Nikolaikirche, 3 – Petrikirche, 4 – Georgenspital, 5 – Heiliggeistspital, 6 – Franziskanerkloster, 7 – Dominikanerkloster, 8 – Berliner Rathaus, 9 – Cöllner Rathaus, 10 – Marienkirche, A - Standort des heutigen Fernsehturms am Alexanderplatz
Betrachtet man die anhand archäologischen Untersuchungen entstandenen Karten des hochmittelalterlichen Berlins, so sieht man auf der Cöllner Insel die zentral gelegene Steinquaderkirche St. Petri. Daneben stand das Cöllner Rathaus am Cöllner Marktplatz (späterer Fischmarkt). Die Breite Straße war die Hauptstraße von Cölln. Sie verband den Cöllner Marktplatz mit dem Dominikanerkloster. Die Breite Straße hatte im 13. Jahrhundert eine Breite von 10 m und war von den Fachwerkhäusern der Kaufleute und Handwerker gesäumt. Auf der südöstlichen Seite der Cöllner Insel befand sich ein Hafen, genau gegenüber dem Berliner Hafen auf der Berliner Insel. Cölln und Berlin waren noch ausschließlich über eine Holzbrücke verbunden. Etwas später entstand an gleicher Stelle ein Damm (Mühlendamm), der die Städte miteinander verband. Mit dem angestautem Wasser wurden dann Getreidemühlen angetrieben. Cölln besaß zwei Tore, das südwestliche Teltower Tor (Gertraudentor) und das südöstliche Köpenicker Tor.
Ausgrabungen 2008 auf dem Gelände der Petrikirche (vor 1237 - 1960)
Ausgrabungen 2012 auf dem Petriplatz
Ausgrabungen 2012 auf dem Petriplatz: Lateinschule und Petrikirche
Auf der Berliner Insel existierten zwei Zentren. Da war der alte Markt (Molkenmarkt) mit der schon aus Backstein errichteten Pfarrkirche St. Nikolai. Umgeben war sie von einem Friedhof. Der Westturm stammt noch von der romanischen Kirche aus der Zeit der Stadtgründung.
Nikolaikirche – ebenfalls mehrfach umgebaut und erweitert. Der Nikolaiplatz läßt noch die Enge des alten Berlin erahnen.
Östlich des alten Marktes stand das städtische Badehaus für die etwa 1200 Einwohner Berlins. Das zentral gelegene Berliner Rathaus war ein Feldsteinbau. Eigentlich handelte es sich um einen Gebäudekomplex aus Hauptgebäude, Gefängnis und angebauter Gerichtslaube (die Gerichtslaube, der wohl älteste Teil des Berliner Rathauses, wurde im 19. Jahrhundert in den Babelsberger Park nach Potsdam versetzt und ist dort zu besichtigen).
Bank aus der Berliner Gerichtslaube, 13. Jh., Kiefer- und Eichenholz, ältestes Berliner Möbelstück, heute im Märkischen Museum zu besichtigen
Im Norden der Insel befand sich das zweite Zentrum, die sogenannte Berliner Neustadt mit dem Neuen Markt und der Marienkirche. Dort am Spandauer Tor stand auch das Heiliggeistspital mit dessen kleiner Feldsteinkirche.
Heilig-Geist-Kapelle an der Spandauer Straße
Am östlichen Oderberger Tor (Georgentor) stand der befestigte Hof der Markgrafen mit dem benachbarten Franziskanerkloster. Um 1249 erfolgte die Gründung des Berliner Konvents des Franziskanerordens. Die Franziskaner errichten um 1250 neben dem Hof der Markgrafen an der alten Stadtmauer einen ersten Kirchbau als einfachen Rechteckbau (ca. 52 x 16 m) aus Feldsteinen mit flacher Decke. Um 1290 wurde ein zweiter Kirchbau als dreischiffige Basilika in Backsteinmauerwerk begonnen. Hierfür wurden Teile der alten Feldsteinkirche verwendet, die noch heute an der Nordseite zu erkennen sind. Etwas weiter nördlich befand sich das Stralauer Tor.
Frontansicht der Franziskaner – Klosterkirche
Chor der Kirchenruine von der Littenstraße aus gesehen
Nordseite - hier kann man die Reste der um 1250 errichteten Saalkirche aus Feldsteinen noch erkennen
Die Hauptstraßen hatten einen Holzbohlenbelag. Die Häuser waren mit ihren Giebeln zur Straße hin ausgerichtet. An den Hauptstraßen standen überwiegend Fachwerkbauten mit einem oberen Stockwerk. Im Erdgeschoß dieser Gebäude befanden sich Küche und Wohnraum, dazwischen der Flur mit Eingangstür und Treppe zum Obergeschoß. Geheizt und gekocht wurde an offenen Feuerstellen. Wohlhabendere Bürger besaßen eventuell schon einen Kamin. Im oberen Stockwerk befand sich neben einem Schlafraum unter Umständen noch ein Lagerraum. In Berlin standen auch zahlreiche Speicher und Ställe. Auf der Cöllner Insel wurde anfänglich sogar noch Feldbau betrieben.
Siegel von Berlin 1280; Quelle: Dr. Hermann, Brosien: : Das Wissen der Gegenwart - Preußische Geschichte - Geschichte der Mark Brandenburg. Greßner & Schramm. Leipzig 1887, Seite 68
Quellen:
Bürger, Bauer, Edelmann – Berlin im Mittelalter. Ausstellungskatalog. Museum für Vor- und Frühgeschichte, Berlin. Nicolaische Verlagsbuchhandlung, Berlin, 1987
Edelmann... Bürger, Bauer, Bettelmann - Berlin im Mittelalter. Adriaan von Müller. Hauder & Spenersche Verlagsbuchhandlung, Berlin, 1979
Berlin im Mittelalter. Heinz Seyer. VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1987
Berlin und seine Wappen. Werner Vogel. Ullstein Verlag, Berlin 1987
Erste Fassung: Joachim Meinicke im Frühjahr 2004