Feuermachen mit Schlageisen und Zunder
Ruth M. Hirschberg, Dezember 2003
Das mittelalterliche ‘Feuerzeug‘
In den Dörfern der Mark Brandenburg waren die meisten Häuser Block- oder Stabbohlenbauten, die in der Regel einfach auf die Erdoberfläche gesetzt wurden und keine Fundamente besaßen. Der Herd des Hauses bestand üblicherweise aus einer einfachen Feuerstelle, die entweder direkt im Boden eingelassen oder mit Steinen befestigt war. Man kochte auf diesen Herdstellen mit offenem Feuer. Das Herdfeuer war selbst im Winter die einzige Wärmequelle im Haus.
Kochen auf der offenen Feuerstelle (rekonstruriertes Bauernhaus, Museumsdorf Düppel)
Daraus wird ersichtlich, wie wichtig das Feuer für die Menschen war: das Feuer bzw. die Glut wurde gut gehütet. Zum Feuerentfachen benutzte man eine sehr alte Technik, nämlich mit Hilfe eines Feuersteines Funken zu schlagen.
Zu diesem Zweck wurden ein Feuerstein, ein Schlageisen und Zunder benötigt. Diese Zutaten - also das mittelalterliche "Feuerzeug" - trug man beispielsweise in einem kleinen Beutel am Gürtel befestigt in einer Spandose im häuslichen Alltag und auf Reisen mit sich, oder bewahrte es etwa in einer Spandose.
Mittelalterliches ‘Feuerzeug‘ in einer Spandose:
Schlageisen (links), Feuerstein (ganz oben), Zunderpilz (unten) und Zunder (Mitte)
Feuerstein, Pyrit und Schlageisen
Die Feuersteine
Feuerstein (Flint) ist ein Siliciumdioxid. Dieser Stein, der in vielen Farbschlägen vor allem in Nordeuropa vorkommt, ist eine sehr dichte Variante des Jaspis oder Hornstein. Er läßt sich in allen Richtungen spalten und eignet sich daher gut zum Herstellen von Steinklingen und ähnlichen Werkzeugen (Verwendung in der Steinzeit). Beim Feuermachen nutzt man die Eigenschaft des Steines, Funken zu erzeugen.
Schlägt man zwei Flintsteine gegeneinander, so entsteht ein funkenartiges Licht. Mit diesem kann man aber kein Feuer entzünden, denn es handelt sich dabei um eine Lichterscheinung, die man Luminiszenz nennt und die auf die Deformierung des Kristallgitters des Steins zurückzuführen ist. Schlägt man aber mit dem Feuerstein gegen Pyrit (dieser Stein heißt übersetzt eigentlich ebenfalls Feuerstein), so fliegen echte Zündfunken. Ein frühzeitliches Flint-Feuerzeug bestand deshalb aus Feuerstein und Pyrit. Zu Beginn der Eisenzeit gelang es dann, das Pyrit durch spezielles, funkenentwickelndes sprödes Eisen (Feuerstahl) zu ersetzen. Doch Pyrit waren noch bis um 1900 in Gebrauch, da es wesentlich billiger als Feuerstahl war. Erst die Entwicklung und Verfeinerung der Zündhölzer in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verdrängte den Feuerstein aus den Haushalten.
Das Schlageisen
Das Schlageisen war ein bügelförmig gebogener, handgerechter Feuerstahl. Die Form konnte geringfügig variieren. Wird das Schlageisen gegen die scharfe Kante eines Feuersteines geschlagen, so lösen sich kleine Späne, die durch die Reibung zu glühen anfangen.
Original eines hochmittelalterlichen Schlageisens
Der Zunder
Der Zunder dient dazu, die mit Schlageisen und Flint erzeugten Funken aufzufangen und eine haltbare Glut zu erzeugen. Er muß also aus einem Material bestehen, welches sich leicht entzündet (daher das Sprichwort: "das brennt wie Zunder") und die Glut dann lange hält. Im Mittelalter benutzte man die verschiedensten Materialien, so zum Beispiel den sogenannten Zunderpilz, verkohltes Leinengewebe oder die Samen von Rohrkolben.
Der Zunderpilz (echter Zunderschwamm, auch Blutschwamm oder Wundschwamm, Fomes fomentarius) ist ein holzzersetzender Baumpilz, der besonders in Buchenwälder vorkommt. Er besiedelt aber auch viele andere Laubbäume (Birke, Eiche, Pappel, Weide, Ulme, Ahorn, Esche etc.). Dieser Porling ist ein Wundparasit, der einen wichtigen Faktor im natürlichen Stoffkreislauf spielt, indem er verletzte und abgestorbene Holzteile ersetzt. Heute steht dieser Pilz in vielen Regionen unter Naturschutz.
Der Zunderpilz bildet mehrjährige, korkig-zähe Fruchtkörper, die bis zu 30 cm breit werden können. Aus dem Fruchtkörper gewinnt man zwei verschiedene Bereiche, die für das Feuermachen bzw. den Gluttransport genutzt werden können. Aus der sogenannten Faserschicht (Trama) gewinnt man das eigentliche Zundermaterial, während die Röhren- oder Porenschicht sich besonders behandelt hervorragend zum Transport der Glut eignet.
Der Fruchtkörper wird vom Baum abgeschnitten und in frischem Zustand weiterverarbeitet, da er getrocknet kaum noch zuzurichten ist. Die Röhren und die Faserschicht werden mit einer starken Klinge gelöst und in Scheiben geschnitten, die harte Kruste und die Anheftungsschicht des Pilzes werden verworfen. Nun werden die Scheiben von Röhren- und Faserschicht gekocht und während des anschließenden Trockenvorganges mit einem Holzschlegel weichgeklopft. Das Material kann vorher (oder auch nachher - hier widersprechen sich viele Quellen, was die beste Methode ist) noch in Urin, Salpeterlauge (gesättigte Salpeterlösung) oder Pottasche (mit Wasser angerührter Holzaschebrei) gebeizt werden.
Feuermachen
Da der Zunder, nachdem er den durch das Zusammenschlagen von Schlageisen und Feuerstein verursachten Zündfunken aufgefangen hat, nur glüht und keine Flamme entwickelt, braucht die Glut jetzt neue Nahrung, um nicht zu erlöschen. Dafür eignen sich feinfaserige, trockene Materialien wie Distelwolle, zerpflücktes morsches Holz, Sägespäne, alte zerriebene Brennesselstengel, Birkenrinde (frisch oder getrocknet, möglichst dünn geschält), trockene Kiefernnadeln oder Stroh. Wenn die Glut im Brennmaterial liegt, drückt man das Ganze vorsichtig zusammen, damit der glimmende Zunder das neue Brennmaterial auch entzünden kann. Jetzt vergrößert man den Glutherd durch behutsames Hineinblasen. Dies gelingt besonders gut, wenn man das Brennmaterial mit der darin eingeschlossenen Glut mit der Hand aufnimmt. Wenn das Brennmaterial entflammt, kann man es wieder in die Feuerstelle ablegen und durch Aufschichten kleinerer Äste das Feuer endgültig in Gang bringen.
Die Röhrenschicht des Pilzes hält die Glut über Stunden, ohne zu entflammen. Mit einem solchen Stück kann deshalb die Glut – beispielsweise bis zum nächsten Tag – aufbewahrt oder an eine andere Feuerstelle transportiert werden.
Eine kleiner Film zur Demonstration des Feuermachens - gedreht von Andreas Meinicke anläßlich einer Vorführung zum Alltag im Mittelalter im Museumsdorf Düppel - findet sich hier: