Aichorn, musio und brâkelin:
Heim- und Gesellschaftstiere im Mittelalter

 

Ruth M. Hirschberg
Berlin, 2012

Ergänzungen: Februar 2013; November 2014: u.a. Dachs als Haustier, Tierkämpfe/Tierhetzen

 

Haustiere wurden im Mittelalter vor allem wegen ihrer Nutzprodukte - Fleisch, Milch, Haare und Federn, Leder, Knochen, Dung etc - oder ihrer Leistung – Zug- und Transporttiere, Jagdgehilfen etc. - gehalten. Insbesondere kostbare Reittiere sowie die speziell gezüchteten und trainierten Jagdhunde und Beizvögel, die in der stark ritualisierten höfischen Jagd eingesetzt wurden, genossen darüber hinaus einen besonderen Status, der sich sowohl im Wert der Tiere als auch in deren Wertschätzung niederschlug. Hier überschritten diese ursprünglichen Nutztiere sicherlich schon die Grenze zum Heimtier bzw. menschlichen Gefährten. Auch solche Tierarten, die zur menschlichen Unterhaltung gehalten bzw. auch extra dafür trainiert wurden – so in „Zirkus“- oder Tierkampfvorführungen auf Jahrmärkten etc. - kann man sicherlich auch zu den Heim- und Gesellschaftstieren im weiteren Sinne zählen.
Inwieweit generell die Heim- und Schoßtierhaltung im Mittelalter schon verbreitet war, ist teilweise nur schwer zu ermitteln. Die Archäozoologie kann hier nur bedingt Hinweise geben, da die Nutzung der Tiere, von denen Skelettanteile geborgen werden, für die Heimtierhaltung kaum nachzuweisen ist. Allerdings lassen besonders kleine Varianten (Zwergformen) oder stark veränderte Skelette, wie zum Beispiel für Hundeknochen nachweisbar, auf eine Heimtierzucht schließen. Hilfreicher für diese Thematik sind die zeitgenössischen Bild- und Schriftquellen, die durchaus Tiere als Gesellschafter und Unterhalter der Menschen – insbesondere der höheren Stände - abbilden und beschreiben. Inventar- oder Anschaffungslisten höherer Haushalte zählen zum Beispiel die kostbaren Materialien auf, die für Decken und Halsbänder der Schosstiere –überwiegend von Damen - verwendet wurden. Archäologische Funde wie Vogelkäfige o. ä. runden dann unser Bild von der mittelalterlichen Heimtierhaltung ab.


Exemplarische Abbildung mit höfischen Statustieren:
Ein edler Herr, gekennzeichnet durch einen wertvollen Beizvogel, reicht seiner auserwählten Dame einen Ring. Diese hält ein zahmes Eichhörnchen auf dem Arm. Um die Treue der Liebenden zu unterstreichen, sitzt den beiden Versprochenen ein Hund zu Füßen. Darunter ist auch noch eine Katze, hier allerdings als Mausefängerin, abgebildet.
Aus dem Ormesby Psalter, England, spätes 13. bis frühes 14. Jahrhundert.
(Bildquelle: Bodleian Library, Oxford. Douce 366, fol. 131r; Ormesby Psalter)


Schoss- und Gesellschaftstiere

Hunde und Katzen werden in den Bildquellen des Mittelalters immer wieder als Schoßtiere von höherstehenden Damen oder als Gesellschaftstiere im häuslichen Umfeld abgebildet: am Kamin, auf der herrschaftlichen Tafel, im Schlafgemach etc.


Das sprichwörtliche Bildmotiv „wie Hund und Katze“. Anhand des reich verzierten Fußbodens kann man auf einen Repräsentationsraum der reicheren Bevölkerungsschicht schließen, man beachte auch das reich verzierte Halsband des kleinen weißen Hundes. England, frühes 15. Jh. (Bildquelle: British Library, ADD. MS 29433, fol. 20)

 

Hunde
Die abgebildeten Hunde entsprechen im Aussehen schon den heute bestehenden Schoßhundrassen – sie sind oft klein bis sehr klein, auffällig gefärbt (oft weiß oder gefleckt) und zeigen manchmal auch schon besondere Trimmungen des Haarkleides, wie es zum Beispiel heute noch für Pudel o. ähnl. üblich ist. Schon aus der Römerzeit sind Funde besonders kleiner Hundeskelette bekannt, und aus mittelalterlichen Zeitstellungen finden sich besonders kleine und schlanke Hundeformen überwiegend aus städtischen Siedlungen oder Herrschaftssitzen, wobei archäozoologisch dann nicht klar zwischen kleinere Kutschen- oder Wachhunden, die sich in solchen Haushalten ebenfalls vermuten lassen, und ‚echten’ Gesellschaftstieren unterschieden werden kann . Zusammen mit den reichlichen Abbildungen von kleinen Gesellschaftshunden vor allem aus dem Spätmittelalter kann beim Hund damit von einer gesicherten Heim- bzw. Schoßtierhaltung ausgegangen werden. Neben seiner Bedeutung als Statusobjekt, die zum Beispiel durch reich verzierte Halsbänder oder besonders wertvolle Hundedeckchen unterstrichen wird, steht der Hund in mittelalterlichen Bildwerken insbesondere für die ehelichen Treue und wird dementsprechend auch oft an Grabmälern oder Illuminationen von Eheleuten dargestellt. Die zeitgenössischen Abbildungen von Schoßhunden entsprechen im Typ beispielsweise den heutigen kleinen Windspielen, Pinschern, Maltesern oder Bichons frisées etc. Die zeitgenössische Literatur beschreibt zum Beispiel die brâkelin der Damen, also kleine Bracken.

 


Darstellung einer spätmittelalterlichen Festtafel, wobei der besondere Wert von Hunden als höfisches Prestigeobjekt klar demonstriert wird:
Zwei kleine sandfarbene Schoßhunde dürfen sogar von den Tellern und Schüsseln direkt an der mittelalterlichen Tafel (fr)essen;
ein größerer weißer Hund mit kostbarem Halsband wird vor der Tafel separat gefüttert.
(Bildquelle: Monatsdarstellung Januar, Très Riches Heures des Duc de Berry, Musée Condé, Chantilly Ms.65, f.1v; 1412-1416)

 


Ein Bediensteter reicht einer adligen Dame in der Kutsche einen kleinen Schoßhund –
vielleicht, nachdem dieser draußen „sein Geschäft“ erledigt hat...
unter und mit der Kutsche läuft ein weiterer kleinerer Hund, ob Wach- oder Gesellschaftstier ist hier nicht zu entscheiden.
A us dem Luttrell Psalter, England um 1330-1340
(Bildquelle: London, British Library, Add. Ms. 42130, fol. 181v)


Die edle Dame trägt ihren kostbaren Schoßhund extra in einem aufwendig mit Pelzwerk verbrämten Tüchlein auf dem Arm.
Macclesfield Psalter, England um 1330.
( Bildquelle: Cambridge, England, The Fitzwilliam Museum, MS 1–2005, fol. 58r)


Dame mit kleinem weißen Schoßhündchen.
Aus der so genannten Kreuzfahrerbibel, Frankreich, Île de France, um 1250.
(Pierpont Morgan Library, New York, Ms M. 638, fol. 29v)


Beispiel eines kleinen Schoßtiers (vermutlich, aber nicht eindeutig ein kleiner Hund) mit glöckchenbesetztem Halsband,
das seine reich gekleidete Herrschaft sogar zum Gebet begleiten darf.
Man beachte auch die verschiedenen anderen Tiere, die in den Randzeichnungen dargestellt werden.
(Bildquelle: Pierpont Morgan Library, Psalter-Hours of Yolande de Soissons, Amiens, MS M.729 fol. 232v, 1288-1290)


Beispiele für Habitustypen höfischer Hunde: unten ein kurzhaariger brauner Hund mit Halsband vom Laufhund- oder Brackentypus, oben ein kleinerer dunkler Hund der eine besondere Felltrimmun aufweist, die derjenigen heutiger Pudel ähnelt:
am Schwanz wurde ein quastenartiger Fellbereich stehengelassen, ebenso sind Kopf und Hals sowie Vorderbrust langhaarig, während der Rest des Körpers kurzhaarig getrimmt wurde.
(Bildquelle: Imareal: http://tethys.imareal.oeaw.ac.at/realonline/ )

 

Katzen
Die Haltung von Katzen als Haustieren ist vor allem für das Spätmittelalter in stärkerem Ausmaß nachweisbar. Ähnlich wie bei den Hunden ist die Rolle der Katze mal als Nutztier und mal als echtes Heimtier zu bewerten – vermutlich mit allen „Zwischenformen“, wie sie heute auch noch in vielen landwirtschaftlichen Betrieben zu beobachten sind. Als Nutztier wird die Katze als Schädlingsbekämpferin eingesetzt, um die Kulturfolger und starken Vorratsschädlinge Maus und Ratte in Schach zu halten. Da der Geschichte der Katze im Mittelalter noch ein separater Artikel gewidmet werden soll, wird hier speziell ihre Rolle als Heim- und Gesellschaftstier beleuchtet. Die hoch- und spätmittelalterlichen Abbildungen zeigen schon Katzen mit sehr unterschiedlichen Fellfarben - über wildtypfarben, hellbraun, grau, schwarz bis hin zu reinweiß sowie unterschiedlich gestreifte und gefleckte Typen sind nachweisbar - und sprechen damit auch bereits für Zuchtbestrebungen jenseits der reinen Nutzung als guter „Mauser“ (in den mittelalterlichen Handschriften als musio bezeichnet, von lateinisch mus = Maus). In der zeitgenössischen Literatur wird die Katze als Heim- und Schoßtier ebenfalls beschrieben, so wird zum Beispiel in einem höfischen Roman über einen Ritter berichtet, der nachts in das Schlafgemach seiner Angebeteten eindringt und dort von ihrer Schoß- bzw. Bettkatze gekratzt wird. Die Haushaltslisten eines englischen Gutshofs aus dem Zeitraum 1293-1294 geben an, dass ein besonderer Käse für die anscheinend besonders geschätzte Katze des Haushalts gekauft wurde. Die Französische Königin Isabeau von Bayern, Gemahlin von Charles VI, ließ sich ihre Schoßtiere ebenfalls Einiges kosten. Für das Jahr 1406 findet sich in den entsprechenden Haushaltsbüchern folgender Eintrag: „eine Elle hellgrauen Stoffes um eine Decke für die Katze der König anzufertigen, 16 Schillinge“.
Katzen als Haustiere waren wohl auch in Klöstern oder Kloster-ähnlichen Einrichtungen sehr beliebt. Eine englische Anweisung für Klausnerinnen aus dem 13. Jahrhundert schreibt vor, dass diese außer eine Katze keine weiteren Haustiere halten, dabei aber aufpassen sollen, dass sie ihr Herz nicht zu sehr an das Tier hängen. Eine deutsche Anweisung für das Kloster Langendorf aus dem frühen 15. Jahrhundert gebietet in ähnlicher Weise, dass die Nonnen keine Katzen, Hunde oder andere Tiere halten sollen, da diese sie zu stark ablenken würden.
Um die Tiere am Streunen zu hindern, gibt es verschiedenste Empfehlungen, die uns heute wirklich sehr „mittelalterlich“ anmuten: das Beschneiden des Schwanzes und der Ohren oder das Ausreißen bzw. gar Absengen des Fells sowie der Bart- und Tasthaare. Laut mittelalterlicher Literatur sollten Katzen angeblich sehr eitel sein und die beschriebenen Maßnahmen sie daher am Verlassen des Haushalts hindern. Dies wurde aber vielleicht eher für das Nutztier Katze und weniger für das geschätzte und sicherlich gepflegte Heimtier angewendet.

 


Katzen bei „typischen“ Beschäftigungen: Fellpflege, „Mausen“ und Vogeljagd.
Die Abbildung zeigt hier außerdem recht detailreich einen mittelalterlichen (Sing-)Vogelkäfig (vergl. unten).
Aus einem englischen Bestiarum, um 1250.
(Bildquelle: Bodleian Library, Oxford. M.S. Bodley 764, fol. 51r)


Drei Katzen mit sehr unterschiedlichen Fellfarben – Hinweis auf eine Liebhaber- oder Heimtierzucht.
Englische Handschrift, frühes 13. Jahrhundert
(Bildquelle: Bodleian Library, Oxford. M.S. Bodley Ashmole 1511, fol. 35v)


Eine hellgrau-gestreifte Katze beim Spiel mit der Spindel – eine sehr häusliche Szene.
Bei der Spinnerin handelt es hier sich um eine Nonne und illuminiert damit, dass Hauskatzen in Klöstern sehr beliebt waren.
(Bildquelle: Hours of the Virgin, Niederlande, 13. –14. Jh.; British Library, Stowe 17, fol. 34r)

 

Zahme Eichhörnchen
Wie andere Tierarten wurden auch Eichhörnchen mal als Nutz- und mal als Heimtiere betrachtet: Während die Felle wilder Eichhörnchen vor allem aus Skandinavien und Russland über die Hanse in großem Rahmen als Verbrämung und Futter höherständischer Kleidung importiert wurden und einheimische Eichhörnchen sicherlich auf dem Speisezettel der ärmeren Gesellschaftsschichten standen, erfreuten sich gezähmte Eichhörnchen (aichorn) anscheinend als Gesellschaftstiere großer Beliebtheit insbesondere bei reichen Bürgerinnen und Adeligen. Auf der allegorischen Ebene steht das Eichhörnchen im Mittelalter allerdings auch für die weibliche Sexualität, so dass es bei der Interpretation des mittelalterlichen Bildguts schwierig ist, ob entsprechende Darstellungen eher Lebensrealität oder aber einen symbolhaften Inhalt wiederspiegeln. Die bereits erwähnte französische Königin Isabeau gab ein Perlen-besetztes Halsband mit goldener Schließe für ihr zahmes Eichhörnchen in Auftrag.


Katze und Eichhörnchen in einer französischen Handschrift um 1300.
(Bildquelle: Breviary of Renaud de Bar, Frankreich 1302-1303; British Library, Yates Thompson 8, fol. 178r)


Eine Dame mit ihrem zahmen Eichhorn, das ein glöckchenverziertes Halsband trägt.
Luttrell Psalter, England um 1330-1340
(Bildquelle: London, British Library, Add. Ms. 42130, fol. 33r)


Mögliche Darstellung des Eichhornfangs zur Zähmung und Abrichtung: ein junger Mann klettert auf einen Baum.
Realistischer wäre zum Beispiel das Ausheben von Jungtieren aus einem Eichhörnchenkogel,
oder aber das Fangen von Tieren mit Netzen, wie es reichhaltig für Vögel im zeitgenössischen Bildern zu finden ist.
Macclesfield Psalter, England um 1330.
( Bildquelle: Cambridge, England, The Fitzwilliam Museum, MS 1–2005, fol. 76r)

 

Weitere Heimtierspezies:
Zahme und dressierte Affen werden in vielerlei mittelalterlichen Textquellen erwähnt. Inwieweit sie wirkliche Heimtiere waren oder eher als Statussymbole in höfischen Ménagerien, also kleinen „Privatzoos“, als Prestigeobjekte gehalten wurden, ist dabei nur schwer abzuschätzen. Ähnliches gilt auch für andere Tierarten, die heute durchaus zu den Heimtieren gezählt werden.
Kaninchen sind sicherlich zuallererst reine Nutztiere gewesen, sie wurden aber auch zu Unterhaltungszwecken, meist für die Jagd, in speziellen Gehegen gehalten . Abbildungen in den im Spätmittelalter äußerst beliebten Gesundheitsbüchern zeigen Kaninchen mit auffallender Fellfärbung (schwarz, weiß, gefleckt etc.) frei laufend in mittelalterlichen Gärten und könnten damit durchaus auch auf eine ‚Liebhaberzucht' hinweisen.
Auch sonst eher unübliche Spezies wurden vereinzelt als Heim- und Schautiere gehalten. Erhaltene mittelalterliche Listen englischer Universitäten benennen Tiere, deren Haltung auf dem Universitätsgelände nicht genehmigt war; das King's College/Cambridge führt hier neben den "üblichen" Haustieren auch Dachse, Füchse, Hirsche, Affen, Wölfe und Bären auf. Hierbei ist unklar, ob diese Liste aus gegebenem Anlass so vielfältig sein mussste oder ob quasi bereits im Vorfeld alle 'kreativen' Möglichkeiten, das Tierhaltungsverbot zu umgehen, ausgeschlossen werden sollten. Vom italienischen Maler Giovanni Antonio Bazzi ('Il Sodoma', 1477-1549) ist ein Selbstporträt mit zahmen Dachsen erhalten.
Das mittelalterliche Rechtsbuch des Sachsenspiegels schrieb vor: wer einen tückischen Hund, einen zahmen Wolf, einen Hirsch, Bären oder Affen hielt, hatte den durch sie angerichteten Schaden zu ersetzen, und liefert damit einen indirekten Hinweis darauf, dass solche Tiere zu Unterhaltungszwecken gehalten wurden.


Die Darstellung eines Granatapfelbaums aus einem Gesundheitsbuch des 14. Jahrhunderts zeigt deutlich, dass hier neben einer wildfarbenen Form auch bereits schwarz-weiß gefleckte Kaninchen vorkamen – vielleicht ein Hinweis auf eine Liebhaberzucht.
Aus dem Tacuinum sanitatis, Oberitalien, 14. Jh
(Bildquelle: Tacuinum sanitatis, Wien Österreichische Nationalbibliothek, Cod. Vindob. S. n. 2644, Oberitalien um 1390, folio 7v)


Zahme Dachse, der vordere mit rot gefärbtem und Applikations-verziertem Halsband.
Giovanni Antonio Bazzi ('Il Somoma'), Detail aus "Leben des St. Benedikt", 1505, Abbazia di Monte Oliveto Maggiore. Quelle: wikipedia.org



Zier- und Singvögel

Als echtes Ziergeflügel schreibt beispielsweise schon die Landgüterverordnung Karls des Großen (um 800 n. Chr.) in Kapitel 40 vor: „zum Schmuck der Hofgüter halte jeder Amtmann: Pfauen (pavones), Fasane (fasianos), Enten (enecas), Tauben (columbas), Rebhühner (perdices), Turteltauben (turtures)“. Hier sind also sowohl Vögel mit besonders auffälligem Federschmuck als auch solche mit besonderen Lautäußerungen (Pfauen, Tauben) genannt. Besonders interessant ist, dass in dieser Verordnung die Enten nur beim Ziergeflügel und noch nicht als Nutzgeflügel genannt werden.


Ein Bestiarium aus dem 13. Jahrhundert zeigt bereits (Haus-)Enten mit verschieden gefärbtem Federkleid. Die Wildentenform ist eindeutig am grünen Kopf des Erpels zu erkennen.
(Bildquelle: Aberdeen Bestiarium. University of Aberdeen, Ms 24, fol. 59r, 12. und 13. Jahrhundert)


Darstellung des mittelalterlichen Vogelfangs – für die Küche ebenso wie als Singvogel zur Unterhaltung.
Aus dem Luttrell Psalter, England um 1330-1340
(Bildquelle: London, British Library, Add. Ms. 42130, fol. 63)

Die ältesten Darstellungen von Pfauen stammen von früheisenzeitlichen Gefäßmalereien. Die Römer hielten den Pfau ursprünglich als Ziervogel, später auch zur Fleischnutzung. Schon hier wurde dieser Vogel als Besonderheit lukullischer Gastmähler in seinem eigenen Federkleid aufgetragen, was dann auch im Mittelalter wieder aufgenommen wurde. Die mittelalterlichen Bestiarien beschreiben sein Fleisch als ‚hart’ (zäh) und schwierig zu kochen. Im Spätmittelalter wurden die Schmuckfedern von Pfauen als Kleidungsaccessoire (z. B. Hutschmuck) sehr beliebt, so dass auch für die Pfauenhaltung eine „Mischnutzung“ als Zier- wie als Nutzvogel festgehalten werden kann.


Radschlagender Pfau.
(Bildquelle: Lilienfeld, Österreich, Stiftsbibliothek: Codex 151, Condordatiae caritatis, fol. 231v, um 1350;
Imareal: http://tethys.imareal.oeaw.ac.at/realonline/ )

Als tierische „Unterhalter“ wurden im Mittelalter vor allem Singvögel in kleinen Käfigen an den Hauswänden gehalten – ähnlich wie teilweise heute noch in ländlichen Gebieten der Mittelmeerregionen. Hier kamen vor allem Lerchen, Nachtigallen und Stieglitze – aber sicherlich auch viele andere Singvögel, deren Nachweis jedoch schwierig ist - in Frage. Stieglitze sind anhand ihrer typischen Gefiederzeichnung meist recht gut im Bildgut zu erkennen und erfreuen sich auch noch heute großer Beliebtheit als Ziervögel. Die zeitgenössischen Abbildungen zeigen entsprechende kleine Vogelkäfige häufig, teilweise sind diese auch archäologisch nachweisbar. Vermutlich wurden Rinderhörner als seitlich beigehängte Tränken verwendet (siehe zeitgenössische Abbildung unten). In einer Datenbank zu archäologischen Funden aus Großbritannien werden mehrere kleinere Gefäße aus Zinn, Blei oder Buntmetallen als "bird feeder" interpretiert (Zeitstellung Spätmittelalter bis frühe Neuzeit). Meist sind sie auf einer Seite abgeplattet und mit Durchbrüchen versehen, wodurch sie seitlich am Käfig angebracht werden konnten.


Diese spätmittelalterliche Mariendarstellung.zeigt Maria in einem Zimmer, am Fenster hängt ein Ziervogelkäfig mit einem Stieglitz.
Verkündigungsszene, 1469-1480.
(Bildquelle: Imareal: http://tethys.imareal.oeaw.ac.at/realonline/ )


Im Garten mit Pinienbaum hält ein Mann einen Vogelkäfig, der andere vermutlich einen zahmen Stieglitz.
Aus einem spätmittelalterlichen Gesundheitsbuch.
(Bildquelle: Tacuinum sanitatis, Wien Österreichische Nationalbibliothek, Cod. Vindob. S. n. 2644, Oberitalien um 1390, folio 19v
)


Vogel im vermutlich hölzernen Käfig.
Nach der Beschreibung "caland" könnte es sich um eine Kalanderlerche handeln.
(Bildquelle: Lilienfeld, Österreich, Stiftsbibliothek: Codex 151, Condordatiae caritatis, fol 71v, um 1350;
Imareal: http://tethys.imareal.oeaw.ac.at/realonline/ )


Interessantes Detail zur Vogelhaltung: Rechts am Käfig hängt ein Rinderhorn, vermutlich als Tränke.
Meister des Schottenaltars, 70er Jahre des 15. Jahrhunderts.
Entnommen aus: D. Mührenberg und A. Falk: Mit Gugel, Pritschholz und Trippe - Alltag im mittelalterlichen Lübeck.
Archäologische Gesellschaft der Hansestadt Lübeck. Jahresschrift 2/3, 1997/1999, S. 59


Hier das archäologische Korrelat zu den verschiedenen Käfigdarstellungen in mittelalterlichen Handschriften:
Fragmente eines Vogelkäfigs aus Holz - vorne (dunkel) Originalteile, dahinter rekonsturierte Teile.
(Bildmontage zur Illustration einer mittelalterlichen Kammer, entnommen aus: Ritter, Burgen und Intrigen- Aufruhr 1225, Roseni-Verlag)


Reste eines Vogelkäfigs aus einer Kloake im mittelalterlichen Lübeck.
Entnommen aus: D. Mührenberg und A. Falk: Mit Gugel, Pritschholz und Trippe (s.o.), S. 58

In einem englischen Bestiarium (MS Bodley 764, Mitte des 13. Jh.) werden kurioserweise die so genannten Harz birds“ beschrieben, die aus der deutschen Gebirgsregion des Harzes stammen und ein Gefieder haben sollen, dass im Dunkeln so stark scheint, dass man sie sogar als Laterne nutzen könne. Diese Harzer Vögel sollen besonders gute Preise erzielen. Dabei kann es sich aber keinesfalls um die heute ebenfalls berühmten „Harzer Roller“ halten, da diese besonders singfreudigen Kanarienvögel erst in der Neuzeit nach Deutschland gebracht wurden. Der Bericht zeigt aber, dass anscheinend in der Harzregion eine besondere alte Tradition der Ziervogelhaltung besteht.


Ein Bestiarium aus dem 13. Jahrhundert zeigt die dort beschriebenen „Harzer Vögel“, deren Gefieder im Dunklen leuchten soll.
(Bildquelle: Bodleian Library, Oxford. M.s. Bodley 764. England, um 1250)

 

Papageien werden in den Bestiarien als lernfähige Vögel beschrieben, denen man das Sprechen beibringen könne – was ein klarer Hinweis darauf ist, dass man sie als Heimtiere gehalten hat. Es gibt sogar Anweisungen zum Training dieser Tiere – so sollen sie als Jungtiere besonders gelehrsam sein, während ältere Tiere sich nicht mehr zum Abrichten eigneten. Zahme Papageien tauchen ebenfalls im mittelalterlichen Bildgut oder in höfischen Romanen auf.


Papgeienhaltung in einem aufwendig gestalteten Käfig.
(Bildquelle: Lilienfeld, Österreich, Stiftsbibliothek: Codex 151, Condordatiae caritatis, fol 165v, um 1350;
Imareal: http://tethys.imareal.oeaw.ac.at/realonline/ )


Papageien aus einem Englischen Bestiarium des 13. Jahrhunderts.
(Bildquelle: Bodleian Library, Oxford. M.s. Bodley 764. England, um 1250)

Dass solche zahmen Zier- oder Singvögel durchaus einen gewissen Wert darstellten, zeigen beispielsweise die Vorschriften des Sachsenspiegels – einer deutschen Rechtshandschrift des 13. Jahrhunderts. Hier wird geregelt, dass getötete oder verletzte Singvögel (ebenso wie Jagdvögel oder Jagdhunde) durch Tiere gleicher Art ersetzt werden müssen, wobei der Ersatzpflichtige ihre Qualität beschwören soll.


Tiere im Unterhaltungseinsatz auf Jahrmärkten und Festivitäten, Tierkämpfe und Tierhetzen

In der höfischen Unterhaltung spielten Tiere wohl eine große Rolle. In der entsprechenden zeitgenössischen Literatur werden abgerichtete Tier oft erwähnt, so zum Beispiel dressierte Hunde oder Pferde, die menschliche Verhaltensweisen nachahmen. Im Feldlager Karls des Großen vor Cortes sah man nach Zeitzeugen zur Unterhaltung „grimmige Löwen mit Bären kämpfen“ und „Adler, die darauf dressiert waren, dass sie Schatten spendeten“. Wertvolle und seltene Tiere wie Elefanten, Löwen, Bären oder dressierte Affen wurden bei höfischen Großereignissen gerne zur Unterhaltung vorgeführt.

Eine Abbildung des Luttrell-Psalters, der ländliches Leben im England des frühen 14. Jahrhunderts illuminiert, zeigt einen als Bischof verkleideten Gaukler, der einen kleinen Hund durch einen Reifen springen lässt. Man kann also durchaus davon ausgehen, dass im Mittelalter ähnliche Dressurvorführungen wie in der neuzeitlichen Jahrmarkt- oder Zirkustradition üblich und beliebt waren. Wendige und kräftige Hunde wurden zu Unterhaltungszwecken auch für die verschiedensten Arten von Hundekämpfen und Hundewettrennen eingesetzt.


Ein als Bischof verkleideter Gaukler, der einen kleinen Hund durch einen Reifen springen lässt.
Aus dem Luttrell Psalter, England um 1330-1340
(Bildquelle: London, British Library, Add. Ms. 42130, fol. 84r)

Generell fanden Tierkämpfe oder Tierhetzen in verschiedenen Varianten – häufig scharf gemachte Hunde gegen durch Anketten und/oder Krallenziehen wehrloser gemachte Raubtiere wie Bären oder Wölfe, aber auch Hunde gegen Bullen oder Ratten etc. sowie Hahnenkämpfe – wohl auf allen Gesellschaftsebenen Gefallen, wobei der Wert der eingesetzten Tiere dem sozialen Rang der jeweiligen Festivität entsprach. Zumindest in England scheinen auch entsprechende Kämpfe von Hunden gegen Dachse (badger-baiting) bis in die Neuzeit üblich gewesen zu sein. Die Bullenhatz bzw. das Bull-Baiting hatte zumindest zeitweise auch eine "fleischhygienische" Grundlage: Durch die Hatz vor der Schlachtung sollte das Fleisch von Masttieren zarter und damit bekömmlicher gemacht werden.
Die Form solcher Tierkämpfe oder Hetzen variierte entsprechend vom lokal auf einem Jahrmarkt angepflockten Hatztier bis zur Präsentation in extra dafür gebauten Tierarenen oder Hetztheatern (englisch: Bull-Rings, Bear-Rings). Die Tradition solcher Tierhetzen blieb bis in die frühe Neuzeit erhalten und erlebte im 16. und 17. Jahrhundert mit dem stark ausgeprägten Repräsentationscharakter der barocken Fürstenhöfe eine besondere Blüte. Als Beispiele im deutschsprachigen Raum sind das Wiener Hetztheater oder der Hetzgarten in Berlin zu nennen. Hinweise auf solche Arenen oder Plätze geben heute noch Straßennamen wie Hetzplatz oder Hetzstraße, in England entsprechend die Namenskomponente "(Bull-/Bear-)Ring".
Aus dem Luttrell-Psalter ist uns eine Abbildung eines solchen Bärenkampfes überliefert (s.o.), der Queen-Mary-Psalter (frühes 14. Jh.) zeigt eine Bullenhatz und kämpfende Hähne finden sich vielfach in mittelalterlichen Marginalien (Randzeichnungen).


Verschieden große Hunde attackieren einen angeketteten Bären –
Darstellung einer Variante des Volksvergnügens Tierkampf. (engl.: Bear-Baiting).
Das Geschirr am Kopf des Bären könnte evtl. dazu gedient haben, als eine Art Maulgatter die Beißkraft des Tieres einzudämmen. Die vermutlich textile Auflage am hinteren Teil des Bärenkörpers könnte dagegen den Bären gegen Bisswunden der Hunde geschützt haben. Als wertvoller Besitz eines Schaustellers durfte der Bär bei Kämpfen wohl nicht zu stark verwundet werden. Die vordere knienende Person links könnte ein Geldstück als Wetteinsatz in der Hand halten.
Aus dem Luttrell Psalter, England um 1330-1340
(Bildquelle: London, British Library, Add. Ms. 42130, fol. 161)

 


Hahnenkampf in einer mittelalterlichen Randzeichnung.
(Bildquelle: Pierpont Morgan Library, MS M.g24 fol. 11r, vermutlich Tournai, um 1350)


Vermutlich wettende Zuschauer beim Hahnenkampf.
(Bildquelle: Romance of Alexander, Flandern, Mitte 14. Jh., Bodleian Library Oxford, MS Bodl. 264, fol. 50r).


Darstellung der Bullenhatz (engl. Bull-Baiting):
Hunde werden auf einen angepflockten Bullen gehetzt, dessen Abwehrmöglichkeiten dadurch stark eingeschränkt werden.
In frühneutzeitlicher Zeit wurden Nachzeichnungen dieser Abbildung als Darstellung einer Hatz auf ein angepflocktes Pferd interpretiert; die gespaltenen Klauen und die Hörner sind aber hier eigentlich eindeutig erkennbar.
Aus dem Queen Mary Psalter, England, um 1310-1320.

(Bildquelle: British Library, Royal MS 2 B VII)


 

Dieser Artikel erschien bereits in gekürzter Form in:
Karfunkel - Zeitschrift für erlebbare Geschichte 103: 53-57

 

Quellen und weiterführende Literatur:

Janet Backhouse. Medieval rural life in the Luttrell Psalter. The British Library, London, 2000

Richard Barber. Bestiary. Boydell Press, Woodbridge, 1999

Norbert Benecke. Der Mensch und seine Haustiere – Die Geschichte einer jahrtausendealten Beziehung. Theiss, Stuttgart, 1994

Michelle P. Brown. The World of the Luttrell Psalter. The British Library, London, 2006

Joachim Bumke. Höfische Unterhaltung. In: Höfische Kultur – Literatur und Gesellschaft im hohen Mittelalter. 9. Aufl. Deutscher Taschenbuch Verlag, München, 1999

Capitulare de villis – Die Landgüterverordnung Karls des Großen. BIOZAC. Internet Publikation : http://www.biozac.de/biozac/capvil/cvkapitel.htm (03.12.2011)

Doris Mührenberg. Ich zoch mir ein Vogelin - ein mittelalterlicher Vogelkäfig. In: D. Mührenberg und A. Falk: Mit Gugel, Pritschholz und Trippe - Alltag im mittelalterlichen Lübeck.
Archäologische Gesellschaft der Hansestadt Lübeck. Jahresschrift 2/3, 1997/1999, 58-59

Stella Panayotova. The Macclesfield Psalter. Thames & Hudson, London, 2008

Joyce E. Salisbury. The beast within – animals in the middle ages. Routledge, London, 1994

Marie Schiller. The squirrel fur trade in 14th century novgorod. James Ford Bell Library. Internet Publikation: http://www.lib.umn.edu/bell/tradeproducts/squirrel (24.11.2011)

Tacuinum sanitatis in medicina. Glanzlichter der Buchkunst, Bd. 13. Akademische Druck- und Verlagsanstalt, Graz, 2004

Kathleen Walker-Meikle. Medieval Cats. British Library, London, 2011

Kathleen Walker-Meikle. Medieval Pets. Boydell Press, Woodbridge, 2012

Beispiel eines mittelalterlichen Bird Feeders aus UK: http://finds.org.uk/database/artefacts/record/id/106644 (28.02.2013)

Wikipedia-Artikel:
Tierkampf: http://de.wikipedia.org/wiki/Tierkampf; Hetzgarten: http://de.wikipedia.org/wiki/Hetzgarten_%28Berlin%29; Bear- und Bull-Baiting: http://de.wikipedia.org/wiki/Bear-_und_Bullbaiting (alle: November 2014)

 

 

 

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