Hospitäler und Heilmethoden der Johanniter
Ein geschichtlicher Überblick von den ersten Anfängen in Jerusalum bis zum großen Hospital auf Malta
Teil 2:
- Die Ordenshospitäler auf Malta
- Die Johanniterschwesternschaft
- Medizinischer Dienst und Fürsorge in den abendländischen Kommenden
- Verbindung der Johanniter mit dem Lazarusorden
Ruth M. Hirschberg
Berlin, Februar 2002
5. Die Ordenshospitäler auf Malta
Zur Zeit der großen Belagerung von 1565 durch die Türken gab es auf Malta drei Hospitäler. Das erste war eine sehr kleine Stiftung in der Hauptstadt Mdina, das viel zu wenig Betten hatte. Das zweite war etwas größer und wurde von den Rittern der Zunge von Italien als Dependance zu ihrem Quartier in Birgu (heute Vittoriosa) unterhalten Das dritte war die Sacra Infermeria, das Tochterhaus jenes Jerusalemer Hospitals, in dem der Gründer des Ordens gewirkt hatte. Die Sacra Infermeria war während der Angriffe der Türken immer stark gefährdet, wurde jedoch verzweifelt - zum Teil sogar unter Beteiligung der Kranken selber – verteidigt. Das Hospital spielte bei der Belagerung Maltas eine sehr wichtige Rolle, da hier Männer wieder kampffähig gemacht wurden, die anderswo bei den damals herrschenden Kriegsbedingungen fast mit Sicherheit ihren Verletzungen erlegen wären. Bemerkenswerterweise brach trotz der räumlichen Enge keine Seuche aus – die türkischen Belagerer litten mit ihren unzulänglichen Feldhospitälern anscheinend viel schlimmer unter Krankheiten.
Die "Sacra Infermeria" – das Haupthospital in La Valetta:
Das neue Ordenshospital
in La Valetta
Das alte Hospital bestand noch etwa zehn Jahre nach Umzug des Ordens nach La Valetta, bis das dortige Hospital (das wiederum "La Sacra Infermeria" hieß und ganz in der Nähe von Fort St. Elmo liegt) fertiggestellt war – zur damaligen Zeit war es das größte Krankenhaus der Welt. Der Bau dauerte von 1578 (nach anderen Quellen begann der Bau bereits im Jahre 1474) bis 1582. Der Hauptkrankensaal war etwa 155m lang, 15m breit und über 10m hoch. An jedem Kopfende des Saales war ein Altar angebracht. Auf beiden Seiten des Saales standen Betten mit Eisenpfosten, die mit weißen Vorhängen, Laken und Überdecken versehen und peinlich sauber gehalten wurden. Auch hier bekam jeder Patient ein eigenes Bett – zur gleichen Zeit teilten sich im weltberühmten "Hôtel Dieu" in Paris acht bis 12 Personen eine Bettenbelegung.
Arzt und Ordensritter am Krankenbett
Die Patienten wurden aus hygienischen Gründen von silbernen Tellern bedient (aus Kostengründen wurden diese in späteren Zeiten durch Zinnteller ersetzt). Jede der Zungen hatte einen Tag in der Woche die Pflege der Kranken zu übernehmen. Das Ordenshospital machte auch hier keinen Unterschied zwischen Freien und Sklaven bzw. zwischen Freund oder Feind, was im übrigen Europa erst viel später üblich wurde. Es wurde sogar eine Abteilung für Geisteskranke geschaffen. Diese wurden anderswo üblicherweise nicht als Kranke anerkannt, sondern kamen ins Gefängnis. Es muß auch eine Art "Kinderabteilung" gegeben haben, denn Knaben unter 7 Jahren durften nicht in das Hospital aufgenommen werden. Eine wichtige Neuerung für das Hospitalwesen war die größtmögliche Trennung nach Art der Krankheit und Ansteckungsgefahr. So gab es beispielsweise eine Diarrhoestation für die sogenannten "Flussuanti" und eine Fieberstation. Sterbende wurden in eigenen kleinen Räumen versorgt und Schwerkranke von leichteren Fällen getrennt. Für ansteckende Krankheiten (soweit bekannt) waren Isolationsräume vorgesehen. Das große Hospital konnte 500 Patienten aufnehmen, im Notfall sogar bis zu 900.
Ärzte und Heilkunst:Die Ärzte wurden zunächst auf Kosten des Ordens an den Universitäten von Florenz, Padua und Salerno ausgebildet, in späteren Jahren studierten die Internisten in Montpellier und die Chirurgen in Paris. Die Chirurgie behielt jedoch ihr geringes Ansehen an den Universitäten, und studierte Ärzte legten großen Wert darauf, getrennt von jenen Barbieren und Wundärzten zu agieren, die die Chirurgie und Wundheilkunst praktisch ausübten. Dies kommt zum Beispiel darin zum Ausdruck, daß auch an den Johanniterhospitälern den Chirurgen nur sogenanntes "Braunbrot" zustand, während Höhergestellte, also auch die studierten Ärzte, Anrecht auf Versorgung mit Weißbrot hatten.
Immer noch bildeten die Werke der griechischen Ärzte Hippokrates und Galenus den Grundstock des medizinischen Wissens, doch kamen auch die Schriften des Arabers Avicenna (Ibn Sina) dazu. Die Chirurgie steckte wie überall in Europa noch in den Kinderschuhen, doch hatten die Ärzte des Orden zumindest in Fragen der Hygiene und Diätetik eine bessere Ausbildung genossen als die meisten ihrer anderen Zeitgenossen. Die Verabreichung von Ziegen- und Eselsmilch als Therapeutikum bei Magenerkrankungen führte zu dem erwähnenswerten Kuriosum, daß wegen Beschwerden einiger Patienten, die behaupteten, statt der vorgeschriebenen Eselsmilch lediglich Ziegenmilch erhalten zu haben, nun Esel und Ziegen täglich auf die Station geführt und vor den Augen der Patienten gemolken wurden. Auch die Findlingskinder wurden mit Ziegen- und Eselsmilch bzw. Molke aufgepäppelt.
Die Geburtshilfe lag in den Händen der Hebammen, die sich aus der Schwesternschaft (s.u.) rekrutierten, da man männliche Ärzte dem weiblichen Geschlecht möglichst fernzuhalten suchte. Nur in äußersten Notfällen holte man den Chirurgen. Der Kaiserschnitt wurde Anfang des 16. Jahrhunderts zum ersten Mal erfolgreich praktiziert.
Bei Mundverletzungen, die die Nahrungsaufnahme erschwerten oder unmöglich machten, wurde die ausreichende Ernährung durch nährende Einläufe gesichert.
Zur Anästhesie setzte man Narkoseschwämme, die in Opiate, Alkohol und andere betäubende Lösungen (Alraunensaft, Schierling, Giftlattichextrakt) getaucht wurden, oder auch die Narkotisierung durch einen Schlag mit dem Hammer auf den Kopf des Patienten, der dafür mit einem besonderen, gefütterten Helm bedeckt wurde. Die so erzeugte leichte Gehirnerschütterung verursachte Bewußtlosigkeit und ermöglichte dann kleinere Operationen.
Wein galt als Therapeutikum und wurde aus dem nahe gelegenen Sizilien importiert. Die Krankenpfleger fungierten als Weinkoster, um zu verhindern, daß den Kranken versehentlich saurer Wein verabreicht wurde. Aus medizinischen Gründen wurde der Wein genau zwei Stunden vor dem Mittagessen ausgegeben. Allerdings wurde dann der Stationsbetrieb durch ständige Störungen betrunkener Patienten so stark beeinträchtigt, daß die Weinausgabe schließlich nur noch zeitgleich mit den Mahlzeiten praktiziert werden durfte.
Zur Behandlung der Syphillis wurden die Patienten einem Heißluftbad unterzogen, in einem Kellerraum, der "Stufa" wurde dafür in einem großen Ofen Holz verbrannt, um die darüberliegenden Räume zu erhitzen, Zusätzlich wurden die syphillitischen Patienten mit quecksilberhaltigen Salben behandelt.
Zu den Allheilmitteln, die man zur Behandlung von Wunden, Blutungen und Ruhr verwendetet, gehörte ein bestimmter schwarzer Pils (Fucus coccineus melitensis), der auf einem winzigen Eiland vor der Küste der Nachbarinsel Gozo wuchs, dem sogenannten "Pilzfelsen". Man hielt ihn für so wichtig, daß die Großmeister des Ordens persönliche Vorrechte darauf geltend machten und gegenüber des Pilzfelsens einen Wachturm errichteten, um Diebe abzuhalten. Man konnte den Felsen nur über eine Art Seilbahn an zwischen Gozo und dem Eiland gespannten Seilen erreichen. Der Pils wurde möglicherweise wegen seiner dunklen Farbe, die dem von geronnenen Blut ähnelt, als Heilmittel betrachtet. In modernen Analysen konnte jedoch keinerlei heilende Wirkung nachgewiesen werden.
Während der großen Pestwellen wurden keine neuen Kranken in das Hospital aufgenommen, um eine vollständige Durchseuchung zu verhindern. Auch die öffentliche Fußwaschung fiel während dieser Zeit aus.
Die Entwicklung der Chirurgie:
Erst im Verlaufe des 16. Jahrhunderts wurde die Chirurgie zu einem wichtigen Zweig der Medizin, besonders durch die Behandlung von Verletzungen, die durch die Anwendung der Feuerwaffen hervorgerufen wurden. Wunden wurden mit Salzwasser gereinigt und ausgewaschen. Wunden in weichen Gewebeteilen wurden genäht, durchschnittene Blutgefäße abgebunden. Als blutstillendes Mittel wurden die Wunden ausgebrannt und dann mit Werg oder Wolle verbunden. Die vermeintlich giftigen Schußwunden wurden durch Eiterung geheilt, indem man sie mit heißem Öl ausbrannte. Erst im Jahre 1545 wurde die antiseptische Wundbehandlung mit Essig, Honig, Destillaten von Pflanzen mit ätherischen Ölen und ähnlichen antiseptischen Stoffen durch den französischen Chirurg Ambroise Paré eingeführt. Bei der Behandlung von Frakturen wurde geschient und gestreckt, bei Schädelbrüchen entfernte man abgesunkene Knochenstücke, notfalls griff man zur Trepanation.
Seit dem Jahre 1685 waren im Hospital ständig zwei Chirurgen beschäftigt, von denen immer auch einer dort wohnte. Zusätzlich waren ein Assistenzchirurg und 10 Bader zur Behandlung der Kranken angestellt. Ein besonderes Spezialgebiet der Chirurgie war die sogenannte Steinschneiderei, bei der ohne Betäubung Blasensteine entfernt wurden.
Der Malteser Chirurg Michelangelo Grima (1731–1798) gelangte in dieser Disziplin zu weltweitem Ruhm, war er doch so erfahren und geschickt, daß er die Öffnung der Harnblase und die Entfernung des Steines innerhalb von zweieinhalb Minuten durchführen konnte. Im Jahre 1773 schrieb er ein Buch über Chirurgie mit dem Titel "Della Medicina traumatica".
Die ordenseigene medizinische Hochschule:
Unter Großmeister Nicholas Cotoner wurde im Jahre 1676 eine eigene medizinische Hochschule errichtet, die großes Prestige besaß und von Studenten vieler Länder besucht wurde. Fra Guiseppe Zammit wurde der erste Dekan für Anatomie und Chirurgie und war gleichzeitig der Leibarzt des Großmeisters. Unter seiner Leitung wurde es für alle Medizinstudenten und angehenden Chirurgen Pflicht, an Sezierübungen teilzunehmen. Zu diesem Zwecke gründetet er 1794 ein eigenes anatomisches Theater Er vermachte seine umfangreiche Bibliothek (ca. 15.000 Bücher) dem Orden und begründete den botanischen Garten in St. Elmo. Im Jahre 1721 wurde Gabriele Henin der Dekan für Anatomie und Chirurgie. Mit dieser Berufung wurde ein großes Zeichen gesetzt, denn Henin war der erste Chirurg, der ein solch hohes Amt bekleiden durfte.
Medizinischer Dienst in der Ordensflotte:
Der Gesundheitsdienst der Johnniter war nicht auf das Hospital beschränkt, sondern auch auf See tätig. Keine Galeere des Ordens verließ Malta ohne Arzt, Wundarzt und Feldscher an Bord. Einer der Gründe dafür, daß die Besatzungen der Johanniter weniger an Krankheiten litten als die anderer Seemächte, war die strikte Einhaltung von Sauberkeits- und Hygienevorschriften (die Ruderer waren beispielsweise alle kahlrasiert) sowie die vergleichsweise gute Ernährung. Skorbut war recht selten, da regelmäßig frische Nahrungsmittel an Bord genommen wurden. Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen grassierten auch auf den Johanniter-Schiffen "bösartige Fieber", man nimmt an, daß es ich dabei um Malaria und Brucellose handelte, letztere wird auch heute noch "Malta-Fieber" genannt.
6. Die Johanniter-Schwesternschaft
In Jerusalem bestand bereits ein der Heiligen Maria Magdalena geweihtes, der Aufsicht des Patriarchen von Jerusalem unterstelltes und von einer Schwesternschaft geleitetes Hospital. Es war von einer Frau vornehmer Abkunft mit Namen Aix oder Agnes zur Pflege kranker Pilgerinnen gegründet worden. An dieses Hospital knüpfte sich dann schon zur Zeit der Gründung des ersten Johanniter-Spitales die Stiftung der Johanniter-Schwesternschaft an. Der Augustinerregel verpflichtet, oblag diesen dem Johanniterorden angegliederten Schwestern die Pflege und Betreuung kranker Frauen und Pilgerinnen.
Das Frauenspital bestand ebenfalls aus mehreren Stationen. Ein besonderer Schwerpunkt ihrer Tätigkeit lag wohl in der Geburtshilfe und in der Versorgung der Neugeborenen. Die Säuglinge wurden gebadet und gereinigt. Sie wurden in vom Kommissar des Spitals zur Verfügung gestellte Windeln gewickelt und in einer Wiege neben dem Bett der Mutter untergebracht. Wenn die Mutter nicht in der Lage war, sich selbst um das Kind zu kümmern, wurde es bis zur Genesung der Mutter einer Amme übergeben bzw. - in besonderen Härtefällen - nach Einverständnis der leiblichen Mutter einer Pflegemutter überlassen. Der Zustand und die Entwicklung dieser Pflegekinder, die als vom Hl. Johannes adoptiert angesehen wurden, wurde regelmäßig von den Nonnen inspiziert, und Eltern und Kinder regelmäßig in das Spital zitiert.
Das Pflegepersonal war ausschließlich weiblich und es ist nicht unwahrscheinlich, daß hier auch weibliche Ärzte tätig waren. Zur gleichen Zeit gab es sowohl in Konstantinopel als auch in Akkon weibliche Ärzte, die sogenannten "mulieres Salernitanae". In Jerusalem fand der Begriff "mulieres Sti. Johannis" Verwendung, was darauf hinweist, daß hier weibliche Ärzte tätig waren. Diese waren vielleicht keine studierten Medizinerinnen, aber zumindest erfahrene Pflegerinnen und Hebammen, die - ähnlich den Chirurgen - als Praktiker ihren Beruf erlernten.
Nach dem Fall Jerusalems blieb ein Teil der Jonniter-Schwesternschaft in Akkon (für das Jahr 1219 werden hier nachsweislich Ordensschwestern genannt), die anderen gründeten im Gebiet der Ordensbesitzungen weibliche Ordenshäuser. Diese Johanniterinnenkonvente waren entweder selbständig oder lebten in sogenannten Doppelklöstern, die einem Ordensbruderhaus angeschlossen waren. Auch in Rhodos kümmerte sich der Orden besonders um die Mütter und Kinder, doch waren hier offenbar keine Nonnen, sondern weltliche Frauen beschäftigt, die unter der Aufsicht des Hospitaliers standen.
Eine besondere Rolle übernahm das Hospitaliterinnen-Haus in Sigena in Aragonien, das im Jahre 1187 gegründet wurde. Die diesem Ordenshaus gegebene Regel wurde 1188 vom Hochmeister des Ordens bestätigt. Nach ihr lebten die Ordensschwestern nach Art der regulierten Kanonikerinnen des heiligen Augustin in klösterlicher Zurückgezogenheit unter einer von ihnen gewählten Priorin dem Gebet und frommen Werken. Sie standen unter der Aufsicht des Großpriors von Aragonien und weiterhin des Ordensmeisters.
Weitere Hospitaliterinnen-Häuser entstanden auf der pyrenäischen Halbinsel in Crisen (12. Jh.), Alguayre (um 1250), Tortosa, Sevilla, Evora und Estromenz. In Italien wurden die Häuser der Schwesternschaft im 13. Jh. in Genua, Pisa und Penna gegründet, in Frankreich in Martel (um 1200), Beaulieu (1259) und Fieux (1297, Großpriorat Auvergne). In England entstanden nach dem Fall Jerusalems in Hampton, Standon, Swingfield und Gosford Dependancen des Schwesternordens, die aber im Jahre 1180 durch Henry II aufgelöst und mit dem neu errichteten Haus zu Buckland in Somersetshire vereinigt wurden. Das böhmische Hospitaliterinnen-Haus ist bereits durch eine Bulle Lucius' III aus dem Jahre 1183 bestätigt, das zu Prag im Jahre 1188. Ein Haus in Schleswig wird zum Ausgang des 12. Jahrhunderts erwähnt.
Unter besonderen Umständen wurde auch die Errichtung von Ordenshäusern zugelassen, in denen Brüder und Schwestern unter einem Dach lebten. Solche gab es in den Niederlanden (Kerkwerve, Wytwerd, beide 13. Jh.) und in der Schweiz (Hohenrein bei Luzern, Tobel, Biberstein, 14. Jh.).
7. Medizinischer Dienst und Fürsorge in den abendländischen Johanniter-Kommenden
In der medizinischen Wissenschaft waren die Johanniter mit ihren Einrichtungen im Orient bzw. auf Rhodos und Malta ihrer Zeit weit voraus. Im Abendland entschlossen sich die Städte nur spärlich und erst spät, für ihre Spitäler fest besoldete Ärzte anzustellen (Frankfurt/Main 1377, Köln 1457, Wien 1517), und selbst dann waren diese Ärzte eher beraterisch tätig als ständig am Krankenbett präsent.
Da im Mittelalter ein großer Mangel an gelehrten Ärzten herrschte, führte dies dazu, daß die im Orient und Rhodos eingeführten Erkenntnisse in der Heilkunst und Krankenpflege leider in Europa wenig beachtet oder gar nachgeahmt wurden. Der Deutsche Orden, der Heilig-Geist-Orden und zahlreiche Spitalsbruderschaften kannten zwar die Krankenpflege-Regula der Johanniter und haben diese teilweise auch übernommen, jedoch ohne die Forderung nach festbesoldeten Ärzten zu erfüllen. Selbst die wenigen Johanniterkommenden, die eigene Spitäler unterhielten, kümmerten sich meist nicht um diese Vorschriften und unterschieden sich so nur wenig von den lokalen Institutionen anderer Stifter oder Träger.
Spitalskirchen:
Innerhalb des Johanniterordens bestand die Verpflichtung zur Krankenpflege anscheinend nur für diejenigen Ordensmitglieder, die sich in der Ordenszentrale aufhielten, während man sich in den Kommenden mehr der allgemeinen Armen- und Krankenfürsorge widmete – also im Sinne der ursprünglichen Hospitäler oder Hospitien, wie sie im ersten Kapitel beschrieben wurden. Jedenfalls sind für das Hochmittelalter nur sehr wenige Kommenden bekannt, auf denen Krankenpflege im engeren Sinne betrieben wurde.
Es haben sich einige Spitalsgebäude erhalten, die sich anscheinend an dem aus Jerusalem übernommenen Typus der Spitalskirche orientierten. In die Kirchen wurde durch eine eingezogene Decke ein Obergeschoß eingebaut, wo die Kranken untergebracht wurden. Durch Deckendurchbrüche oder Freilassung des Chorraumes konnten die Kranken dann an den liturgischen Handlungen der Ordensbrüder teilnehmen und waren so in das Konventleben eingebunden. An den in einigen Spitalskirchen erhaltenen Freskenresten läßt sich erkennen, daß man auf die Innenausstattung großen Wert legte und die "Herren Kranken" – ähnlich wie auf Rhodos – in einem schönen Gebäude unterbringen wollte. Meist handelt es sich um sakrale Darstellungen, die die Kranken zu Gebet und Fürbitte anregen sollten. Die ersten Spitalskirchen wurden meist vor den Städten errichtet, als typisches, noch erhaltenes Beispiel sei die Kirche S. Giovanni de Prè in Genua genannt, deren Bau im Jahre 1180 begann, oder die aus dem 13. Jh stammenden Johanniter-Spitalskirchen von Faenza und Regensburg. Aber auch auf dem Lande wurden Spitalskirchen errichtet, so etwa in Torpichon/Schottland, wo sogar zwei Obergeschosse über dem Sakralraum errichtet wurden. Erhaltene Spitalskirchen in Deutschland sind in Neckareltz (Mosbach) und Niederweisel zu besichtigen.
Nur gelegentlich wird in den erhaltenen Schriftstücken der einzelnen Kommenden ein Arzt erwähnt, so zum Beispiel aus Zaragoza im Jahre 1188 ein als "medicus" bezeichneter Mitbruder, oder aus Eskilstuna/Schweden ein "frater magister Arnold medicus" im frühen 14. Jh. Bedeutender war da wohl der Johannniter Paul, Hofarzt des Königs Karl von Anjou und Kommendator der bedeutenden ungarischen Kommenden Buda und Gran (Ernennung 1342).
Entwicklung gegen Ende des 13. und im 14. Jahrhundert:
Gegen Ende des 13. Jahrhunderts geriet der Johanniterorden durch den Verlust seiner Ländereien im Heiligen Land in eine wirtschaftliche Krise. Als Resultat begann in dieser Zeit, die Krankenpflegetätigkeit des Ordens in den Kommenden abzunehmen. Dies mag auch damit zusammenhängen, daß die nun erstarkenden Städte mehr und mehr versuchten, alle Institutionen innerhalb ihres Rechtsbereiches unter die eigene Jurisdiktion zu stellen und eigene Krankenhäuser und Hospize für ihre Kranken und Alten zu errichten. Das Konzil von Vienne im Jahre 1312 beschäftigte sich mit diesem Problem und ermahnte die Ritterorden, an der Erfüllung ihres Stiftungszweckes und an der Erhaltung ihrer Spitäler festzuhalten. Dies schien aufgrund der angespannten finanziellen Situation jedoch nur wenig zu fruchten, denn im späten13. und vermehrt im 14. Jahrhundert wurden viele Spitäler und Hospize an die jeweiligen Städte bzw. an andere Stiftungsträger, beispielsweise auch an den deutschen Orden, verkauft. Bei einer von Papst angeordneten Visitation der Kommenden in Frankreich im Jahre 1373 wurde festgestellt, daß in der Diözese Besancon von 32 Spitälern 13 leer waren und nur noch 6 als Krankenhäuser genutzt wurden.
Nun mag man der Ansicht sein, daß es eigentlich egal sei, wer die Krankenhäuser und Hospize betreibe, solange diese ihre Funktion weiter aufrecht erhielten – doch muß man sich vergegenwärtigen, daß die Städte und auch viele andere Stiftungsträger nur eigene Bürger bzw. Angehörige des eigenen Standes oder der eigenen Zunft in ihre Fürsorge-Institutionen aufnahmen. Der Grundgedanke der umfassenden Wohltätigkeit des Johanniterordens, alle Personen unabhängig von Herkunft, Stand oder Religion aufzunehmen, ging mit dem Trägerschaftswechsel in den meisten Fällen verloren.
Die Versorgung alter und arbeitsunfähiger Personen war im Mittelalter ein wichtiges soziales Problem, welches durch die Einrichtung von Altenheimen, vor allem in Form des Pfründnertums, gelöst wurde. Gesunde konnten sich darin gegen regelmäßige Zahlungen oder Überschreibungen von Gütern und Ländereien einen Platz sichern, wo sie ihren Lebensabend verbringen konnten. Der Johanniterorden beteiligte sich auch an dieser Aufgabe, war sie doch von der Beherbergungspflicht und von der Spitalstätigkeit abzuleiten. Außerdem hatte diese karitative Tätigkeit einen besonderen finanziellen Anreiz, da der Orden durch den Leibrentenvertrag einen billigen Kredit erhielt, der ihm bei seinen bereits erwähnten finanziellen Schwierigkeiten willkommen war. So ist die Entwicklung zu erklären, daß der Orden ab dem 14. Jh besonders in die Altenfürsorge involviert war.
In den ursprünglichen Pfründenverträgen übernahmen die Pfründner religiöse Verpflichtungen durch den Eintritt in eine Bruderschaft und verloren auch ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit. Durch die Aufnahme in eine Hausgemeinschaft mußten sie sich dem jeweiligen Oberen und der Hausordnung unterwerfen, Zuwiderhandlungen wurden vor allem auch durch Verlust von Zuwendungen und Privilegien geahndet. Die Verpflichtung der Pfündner variierte nach Ländern und den einzelnen Kommenden, meistens wurde jedoch schickliche Kleidung verlangt und es war verboten, außerhalb des Hauses zu speisen, die Nacht außer Hause zu verbringen bzw. gar Wirtshäuser aufzusuchen. Die Pfründner waren außerdem zur Teilnahme am Gottesdienst und am gemeinsamen Gebet für Wohltäter und Verstorbene verpflichtet. In einzelnen Kommenden konnten sie auch praktische Funktionen für das Ordenshaus wie Schreiber, Schildträger, Kirchendiener oder Förster übernehmen.
Im 14. Jh wurde noch der strenge Pfründenvertrag abgeschlossen, der durch die Formel "mit Übergabe von Leib und Seele" gekennzeichnet war und somit jener der ursprünglichen Johanniter-Brüderschaft ähnelte. Als Bruderschaft bezeichnete man ursprünglich die Vereinigung von Johannitern, die kein Gelübde, sondern nur ein Versprechen abgelegt hatten (siehe Kapitel 2). Sie wurden auch Donaten genannt. Sicherlich waren nicht alle Mitglieder der Brüderschaft Pfründner und nicht alle Pfründner Donaten, doch war ihre Rechtsstellung sehr ähnlich und macht somit eine Unterscheidung schwer. In beiden Fällen wurden sowohl Männer als auch Frauen, Laien und Kleriker aufgenommen, die meist aus der unmittelbaren Umgebung der jeweiligen Kommende stammten.
In späteren Zeiten entstand innerhalb der ursprünglich gleichberechtigten (und gleichverpflichteten) Hausgemeinschaft wieder eine Art "Rangordnung", die Mitglieder der Bruderschaft speisten beispielsweise ihrer sozialen Herkunft oder ihrem finanziellen Vermögen nach am Tisch des Kommendators oder dem der dienenenden Brüder. Neben der gemeinen Pründe entwickelte sich so die "Herrenpfründe, die Sonderbegünstiungen enthielt. Diese Herrenpfründner konnten sich beispielsweise Bedienstete und persönliches Eigentum wie Pferde und Wagen halten, auch die Teilnahme an den gemeinsamen Mahlzeiten war nicht mehr unbedingt verpflichtend. Diese privilegierten Mitglieder verlangten beispielsweise auch eigene Kammern, wodurch der Zellenbau zuungunsten der Saalkirchen (siehe unten) aufgegeben wurde. Die Leibrentner verlangten für ihr Geld gewisse Bequemlichkeiten und nahmen kaum mehr am inneren Ordensleben teil. Der Endpunkt dieser Entwicklung bestand in Form des Bezugs einer Pension, die bereits dem reinen Leibrentenvertrag entsprach und keinerlei persönliche Bindung an das Konventleben mehr beinhaltete.
Krankenpflegetätigkeit im Spätmittelalter:
Johanniterhospital im Spätmittelalter: Pflegetätigkeit und Einnähen der Leiche eines Verstorbenen
Obwohl sich der Johanniter-Orden aufgrund der geschilderten Entwicklung in den europäischen Kommenden nun mehr der Altersversorgung als karitativer Tätigkeit widmete, wurde die Krankenpflege auch im Spätmittelalter nicht vollständig aufgegeben. Neben den wenigen weiter in Betrieb gehaltenen Spitälern erfolgten immer noch Neugründungen.
In Deutschland wurde 1313 in Aachen, 1358 in Küßnacht, 1372 in Wildungen und 1381 in Straßburg jeweils ein Spital gegründet. 1424 gründete die Kommende Werben der Ballei Brandenburg das St. Gertruden-Hospital vor der Stadt. Im Großpriorat Böhmen wurde 1338 das Bürgerspital von Brünn und 1360 das Spital von Troppau übernommen.
In Frankreich wurde 1413 in Toulouse ein Krankenhaus erneuert, das sich vor allem der Pflege erkrankter Pilger widmete, die sich auf dem Weg nach Santiago die Compostella befanden. Dieses Spital konnte bis zu 100 Kranke aufnehmen und war bis 1524 in Betrieb. In England wurde 1340 in Hereford ein Hospital übernommen und in Spanien im Jahre 1446 unter Großprior Don Juan de Beaumont von Navarra ein Hosptial für Santiago-Pilger in Puente la Reina gegründet. Auch in Italien widmete sich der Orden weiterhin der Krankenpflege. In Venedig entstand 1451 unter Leitung der venezianischen Kommende ein neues Spital, dem dann später auch das Spital der Kommende S. Catharina übergeben wurde. In Florenz übernahm im Jahre 1362 die neu gegründete Kommende S. Giovanni delle Calze ein Spital, das später in ein Frauenkonvent umgewandelt wurde und bis in das 18. Jh seinen Pflegedienst versah. Im Großpriorat Messina bestand seit 1368 ebenfalls ein Hospital unter Leitung der Johanniterbrüder und 1412 entstand in der Kommende Chieri das Spital S. Croce.
Aus einer im 16. Jh entstandenen Gründungsgeschichte des Straßburger Hospitals geht hervor, daß das ursprüngliche Pflege-Ideal des Ordens auch im Spätmittelalter nicht ganz verloren ging, da das Hospital auch hier noch jeden unbeachtet seines Standes oder seiner Herkunft aufnehmen sollte.
Die Architektur der Neugründungen unterschied sich jedoch wesentlich von den älteren Spitalsbauten, wodurch eine Änderung der Geisteshaltung erkennbar wird. Der Saalbau wurde nun gegen den vor allem im arabischen Raum entwickelten Zellensystem-Bau ausgetauscht. Waren bisher Krankensaal und Konventkirche eine Einheit gewesen, so wurde jetzt das Hospital baulich vom Konvent und der Kirche getrennt. Dies entsprach einerseits den neuesten medizinischen Erkenntnissen und andererseits dem inzwischen entstandenen Pfründnerwesen in den europäischen Städten. Die Gebäude wurden nun um einen Hof gruppiert und erhielten manchmal auch einen Kreuzgang oder Arkaden, so daß sie oft als "Hof" oder "Kreuzhof" bezeichnet wurden. Der Krankensaal der großen Spitäler in Frankreich hatte etwa ein Ausmaß von 40 m Länge bei bis zu 20 m Breite und wurde durch Säulen in Unterabteilungen getrennt.
Wie bereits erwähnt, waren fest angestellte Ärzte in den europäischen Kommenden unüblich. Dies mag neben dem Mangel an ausgebildeten Ärzten auch darauf zurückzuführen sein, daß die meisten Kommenden nur über sehr kleine Spitäler mit einer Bettenkapazität von etwa 10 bis maximal 20 Betten verfügten (dies entspricht in etwa der Größe von Krankenhäusern anderer europäischer Institutionen, wo kleinere Stiftungen bis zu sechs, ländliche Hospize 12 bis 15 und städtische 25 bis 30 Betten aufwiesen). Das bereits erwähnte Hospital in Toulouse mit 100 Betten stellt eine Ausnahme dar, die sich durch seine Lage am Pilgerweg nach Santiago erklärt. In den kleinen Spitälern erfolgte die Krankenpflege entweder unter Anleitung von Ärzten, die auch noch in anderen Institutionen Dienst taten, oder häufig auch ohne jegliche ärztliche Unterstützung. Eine erwähnenswerte Ausnahme stellt das Kinderspital des Johanniterordens in Genua dar, welches bei einer Kapazität von 8 Betten über einen Arzt, einen Chirurgen und einen Barbier verfügte, die vermutlich aber auch noch anderweitig tätig waren.
In den Kommenden wurde die Krankenpflege wahrscheinlich nicht immer von den Ordensbrüdern selbst durchgeführt, sondern von dafür angestellten Bediensteten. In vielen Kommenden lebten nur wenige Ordensbrüder, die vor allem den seelsorgerischen Dienst übernehmen mußten. In Skirbeck/England lebten beispielsweise 1338 nur ein dienender Bruder, der gleichzeitig Kommendator war, und ein Ordenskaplan. Offenbar war es eine gängige Praxis, den Pflegedienst an Personen zu übergeben, die der sogenannten Bruderschaft zu diesem Zwecke beitraten. Ab dem 14. Jh gab es wie bereits erwähnt Bruderschaften unterschiedlicher Rechtsstellung, die jeweils einer Kommende angegliedert waren. Aus Genua ist bekannt, daß im Jahre 1302 das Spital Gavi einem Ehepaar übergeben wurde, das der Bruderschaft des Ordens beitrat und diesen Besitz gegen Responsionszahlung auf Lebensdauer vom Provinzialkapitel erhielt. Vermutlich hatten sie neben den sonstigen Verpflichtungen auch die Krankenpflege durchzuführen. In der Kommende Chieri übernahmen im Jahre 1412 vier Donaten die Verwaltung und Visitation des Spitals S. Croce. Ein ähnliches Verhältnis ist auch für das Straßburger Spital beschrieben. Die geringe Anzahl an Pflegepersonal war allgemein üblich, in kleineren Spitälern versahen ein bis zwei Personen diesen Dienst, in größeren etwa zwanzig.
In den kleineren Kommenden konnten auch andere Vorschriften, die bei der Ordenszentrale in Jerusalem, Akkon, Rhodos und Malta galten, nicht erfüllt werden: So war beispielsweise der Speiseplan für die kleinen Hospitäler und auch die Ausstattung der Betten mit Tüchern und Decken bzw. die Versorgung der Kranken mit Bekleidung und Schuhen im Vergleich weit reduziert. Auch im Bereich der Armenfürsorge (Armenspeisung etc.) konnten anscheinend nicht alle Kommenden dem vorbildlichen Vorschriften der Ordenszentrale entsprechen, doch sind Unterlagen über Art und Umfang dieser karitativen Werke aus einigen größeren Kommenden bekannt.
Hospitalität der Johanniter im Spätmittelalter
Bedeutende Johanniter-Ärzte in Europa:
Zur Weiterentwicklung der medizinischen Wissenschaft haben ebenfalls einige europäische Johanniter-Brüder beigetragen. Heinrich von Louffenberg, der um 1390 geboren wurde und 1417 in Heidelberg studierte, verfaßte im Jahre 1429 eine Gesundheitslehre (Regimen sanitatis), die 1491 im Druck erschien. Michele Savonarola wurde 1485 in Padua geboren und 1413 an der Universität Padua promoviert, wo er auch bis 1437 als Professor der Medizin wirkte. Später war er Hofarzt am ferranesischen Hof. Er verfaßte zahlreiche medizinische Schriften, das wichtigste Werk war wohl die "Practica maior", die auf seinen praktischen Erfahrungen als Arzt basierte und noch fast zwei Jahrhunderte lang als Leitfaden für italienische Ärzte diente und sich neben internistischen auch chirurgischen und obstetrischen Themen widmete.
8. Leprosorien und Lazarus-Orden
In den Johanniter-Hospitälern gab es für Leprakranke ein eigenes Haus (Leprosorium). Dies entsprach der gängigen Praxis im übrigen Europa, denn die Übertragbarkeit der Krankheit war schon seit alters her bekannt.
Im Heiligen Land entstand der Orden der Lazarus-Brüder, dessen Gründungsgeschichte nicht mehr eindeutig geklärt werden kann. Er entstand vermutlich im Jahre 1099 aus einem Leprosorium, das außerhalb der Mauern Jerusalem gelegen war. Bruder Gerard, der Gründer des Johanniterordens, soll dieses schon seit dem 4. Jh. bestehende Lepra-Hospiz neu organisiert und administriert haben. Fest steht, daß eine Gemeinschaft frommer Ritter sich in Jerusalem zusammenschloß und sich die Pflege der Aussätzigen zur Aufgabe machte.
Häufig waren diese Lazarus-Brüder selbst von der Krankheit befallen und hatten vorher einem anderen Pflegeorden, vor allem dem Johanniter- und dem Deutschen Orden, angehört. Bis 1213 mußte der Großmeister der Lazarus-Brüder sogar selbst ein Aussätziger sein.
Folgende Johanniter, die an Lepra erkrankten, wurden Großmeister des Lazarus-Ordens: Der Gründer und erste Großmeister der Johanniter, Bruder Gerard (108?-ca. 1118); Boyant Roger, ein früherer Rektor des Johanniterordens (1120-1131) und der zweite Johanniter-Großmeister Raymond du Puy (1157-1159).
Im 12. Jahrhundert siedelten sich die Hospitalbrüder vom heiligen Lazarus nach dem Verlust des Heiligen Landes durch den Ruf Ludwigs VII in Frankreich an (Stammsitz in Frankreich war das Château Broigny). Ständige Neugründungen von Lepra-Hospizen im westlichen Europa deuten auf die wachsende Verbreitung der Seuche hin. Im ganzen soll es nach der Schätzung des englischen Chronisten Mathieu Paris um die Mitte des 13. Jahrhunderts 19.000 Leprahäuser in Europa gegeben haben.
Für die Überwachung der Leprosorien wurden notwendige Isolierungsmaßnahmen getroffen, für deren Durchführung seit 1265 eine kuriale Anordnung bestand und die den Lazarus-Brüdern übertragen wurde. Die Lazaristen überwachten den Tagesablauf in den Spitälern.
Mit der Eindämmung der Lepra verloren die Lazaristen ihre Bedeutung, und im Jahre 1490 (andere Quellen nennen das Jahr 1498) versuchte Papst Innozenz VIII, den Orden endgültig aufzulösen. Dies gelang zwar nicht, doch kam es zu einer Spaltung des Ordens, und viele verbleibende Einrichtungen, hauptsächlich in Deutschland, wurden den Johannitern übertragen.
9. Zusammenfassung und Ausblick
Der Johanniterorden trug wesentlich dazu bei, das vergleichsweise hochentwickelte medizinische Wissen aus dem arabisch-persischen und griechisch-byzantinischen Kulturkreis zu übernehmen und dem abendländischen Europa zugänglich zu machen. Die Hospitalsbrüder waren stets um neuestes medizinisches Wissen bemüht, wobei das Wohlbefinden des Einzelnen immer im Mittelpunkt des therapeutischen Ansatzes stand. Schon im Mittelalter verfolgten sie sehr modern-anmutende Grundsätze in der Krankenpflege. Die eropäische Heilkunst verdankt ihnen große Fortschritte, einerseits bezüglich hygienischer und diätetischer Vorschriften in der individuellen Krankenbetreuung wie auch hinsichtlich gemeinnütziger sanitärer Einrichtungen und der kommunalen Gesundheitsvorsorge.
Diese Tradition wird auch heute noch von den Institutionen des Ordens bzw. seiner Nachfolge-Organisationen hochgehalten. Neben dem Engagement für neue Ansätze in Medizin und Krankenpflege sowie der Unterstützung alternativer Heilmethoden steht noch immer der Mensch als Individuum im Mittelpunkt. Und so verwundert es nicht, dass ein besonderer Schwerpunkt dieser Organisationen in der Pflege und Betreuung alter, kranker und sterbender Menschen sowie in Förderung und Unterhalt von Altenheimen, Krankenhäusern und Hospizen liegt.
Kurze Auszüge
aus Teil 1 und Teil 2 dieses Artikels wurden bereits veröffentlicht in:
Karfunkel - Zeitschrift für erlebbare Geschichte, 2002: 38, 8-14
Die in beiden Teilen des Artikel verwendeten Fotos zeigen Szenen aus Dioramen des Hospitalalltags in der Sacra Infermeria aus der Dauerausstellung in den Kellerräumen des großen Ordenshospitals in Valetta und anderen Ausstellungen in Valetta und Mdina, welche die Autorin im Frühjahr 2001 besuchte. Das Copyright für diese Bilder ebenso wie für den Text liegt bei der Autorin.
Die Bilder von Bruder Gerard, Johannes im Hospital und zur Hospitalität der Johanniter im Spätmittelalter stammen aus dem Buch "Die Ordensregel der Johanniter/Malteser" von G. Tonque Lagleder (1983, Eos Verlag der Erzabtei St. Ottilien) und wurden mit freundlicher Genehmigung des Verlages verwendet. Die Abbildung "Johanniterhospital im Spätmittelalter" stammt aus einem anonymen Holzschnitt aus Frankreich um 1500 (Philadelphia Museum of Art, Philadelphia).
Quellen und weiterführende Literatur: