Dextrarius - das große Ritterpferd
'ros' versus 'pferit' - Status, Ausrüstung und Ausbildung
Ruth M. Hirschberg
Berlin 2010
überarbeitet: Februar+ März
2013
(v. a. Formenkunde, Chronologie und Verwendung des mittelalterlichen Reitzubehörs
nach Goßler, 2011)
Im Mittelalter war das Pferd als Zug-, Last- und Reittier im Einsatz
(siehe auch Pferd, Esel und Maultier im Mittelalter).
Mit Entwicklung der Kavallerie im Frühmittelalter erhielt die Pferdezucht
eine entscheidende strategische Bedeutung und ermöglichte so die Entfaltung
desjenigen Standes, den die meisten von uns heute spontan als Erstes mit dem
Mittelalter assoziieren: die Ritter.
Dieser hochgerüstete Kriegertyp ist aber ohne das zugehörige speziell
ausgebildete Pferd nicht denkbar, und spätestens seit dem Hochmittelalter,
der Blütezeit des Rittertums, wurden die sogenannten‚großen Ritterpferde’
bzw. edle Jagd- und Reittiere zu wichtigen Statussymbolen, die häufig in
der zeitgenössischen Literatur erwähnt bzw. in den Bildwerken dargestellt
werden. Illuminationen, Grabsteine, Siegel und andere Bildzeugnisse zeigen den
Krieger nun hoch zu Ross. Hochmittelalterliche Reiterstandbilder wie der Bamberger
oder der Magdeburger Reiter ermöglichen mit ihrem großem Detailreichtum
Einblicke in die Ausstattung der Pferde und runden zusammen mit archäozoologischen
Befunden unser Wissen über das mittelalterliche Kriegspferdewesen ab.
Die Pferde des Ritters
Ab dem 11. Jahrhundert war der ausziehende Ritter in der Regel von
einem Knappen, zusätzlich auch oft noch von einem Knecht begleitet. Dafür
benötigte er mindestens drei Pferde, nämlich das Streitross,
das nur im Kampf geritten wurde, das Marschpferd sowie ein drittes
Pferd, das für den Knappen bestimmt war, der ihm Schild und Lanze trug.
Nicht selten war für den Transport der Rüstung, der Ausrüstung
und des Knechts dann noch ein weiteres Pferd, der sogenannte Klepper,
nötig. Mit dieser Ausstattung, die seit den Kreuzzügen zu jedem Ritter
gehörte, verband sich die kleinste militärische Einheit der Kavallerie,
die nach der Hauptangriffwaffe des Ritters, der Lanze, ‚gleve’ (oder
glefe) genannt wurde.
Diese verschiedenen Pferde hatten entsprechend einen unterschiedlichen Wert
und Ausbildungszustand und wurden auch unterschiedlich bezeichnet: Das alte
deutsche Wort ros (ab dem 12. Jh. auch ors) für Pferd bezeichnete
in der höfischen Dichtung vor allem das ritterliche Streitross, während
das vom lateinischen paraveredus entlehnte pferit (Pferd) hauptsächlich
das leichtere Reitpferd bezeichnete. Dem Begriffspaar ros/ors – pfert entsprach
im Mittellateinischen dextrarius – palefridus (parafridus). Dextrarius
(lat.: der Rechte) lässt sich vermutlich davon ableiten, dass das Schlachtross
eines Ritters vom Waffenknecht als Handpferd – an der rechten Seite – mitgeführt
wurde. Weitere Pferdebezeichnungen, die dessen unterschiedliche Einsatzgebiete
beschreiben, stammen aus dem Französischen: ravît für den schnellen
Renner und runzît (lat. roncinus) für weniger wertvolle
Tiere, die hauptsächlich als Last- und Zugpferde dienten.
Diese Bibelillustration zeigt König David, der gegen seine Feinde auszieht.
Im Gegensatz zu seinen Rittern trägt nur sein Pferd eine kostbare Kuvertüre.
Man beachte Brust- und Sattelgurt, die ausladende Hebelstangentrense sowie die
Pferdefarben.
Bildquelle: Kreuzfahrer- oder Maciejowskibibel. Île de France, um 1250,
folio 34 r, Pierpont Morgan Library, New York, Ms M. 638
Zugtier an einer herrschaftlichen Kutsche mit reich verziertem Zuggeschirr
und Sattelzeug.
Auch hier wie so häufig die bevorzugte Fellfarbe Apfelschimmel.
Bildquelle: Luttrell-Psalter. London, British Library, Add. Ms. 42130, fol.
181v. England um 1330-1340
Status
Streitross und edle Jagd- und Reittiere waren wichtige Statussymbole
der oberen Stände. Aus zeitgenössischen Texten geht hervor, dass sich
die Ritter oft mit der Kraft und Schönheit ihrer Pferde identifizierten
und es wurden auch überwiegend Hengste als Kriegspferde eingesetzt. In
den zeitgenössischen Bildern werden die Pferde wichtiger Persönlichkeiten
meist eindeutig als Hengste dargestellt.
In den skandinavischen Sagas wird die ‚Manneskraft’ des Hengstes gezielt beschrieben,
sowohl um dessen Besitzer hervorzuheben, als auch, um seinen Gegner zu beleidigen.
So wird zum Beispiel eine Begebenheit geschildert, nachdem der Hengst des Helden
die Stute des Gegners besprungen haben soll, und der Held brüstet sich
hinterher damit, dass nicht klar sei, ob nur die Stute oder nicht auch der Gegner
von seinem Hengst penetriert worden sei... nach mittelalterlichem Codex eine
tödliche Beleidigung. In eine ähnliche Richtung gehen die Vorschriften
aus den frühmittelalterlichen Stammesrechten, nach denen etwas die Hengste
eines verurteilten Vergewaltigers kastriert und ihnen zusätzlich der Schweif
kupiert werden sollte. Hierdurch wurde sowohl die Art des Verbrechens als auch
der dadurch verursachte riesige Statusverlust nach außen demonstriert.
Nach Bumke geht allerdings die Ansicht, dass nur Hengste als Schlachtrösser
verwendet wurden, auf eine Fehlinterpretation einer Episode im ‚Willehalm’ des
Wolfram von Eschenbach zurück, in der eine Stute unter dem Gewicht ihres
Kettenpanzers zusammenbricht. Im arabisch-persischen Kulturkreis wurden Stuten
jedenfalls ebenfalls als Kriegspferde eingesetzt.
Im Hochmittelalter waren Kriegspferde circa viermal so teuer wie einfache Zug-
oder Botenpferde. Auch der Ausbildungsgrad stellte einen wichtigen Wertparameter
dar, wie z.B. aus englischen Quellen bekannt ist: ein Fohlen kostete 6 Pence,
ein Jährling bereits 48 Pence, ein Dreijähriger 96 Pence und ein guter
Deckhengst ein ganzes Pfund.
In der höfischen Epik wird neben Gestalt , Eigenschaften und Färbung
des Pferdes (s.u.) das Augenmerk vor allem auf die kostbare Ausstattung
des Reitzeugs gelegt. Sattel und Zaumzeuge waren hiernach aus kostbarsten Materialien
gefertigt und wurden zusätzlich noch mit Gold und Edelsteinen geschmückt.
Ein archäologisches Äquivalent hierzu lässt sich belegen, es
wurde eine Vielzahl ergrabener schmückender Anhänger, allerdings meist
aus Buntmetall, dem Pferdezeug zugeordnet. Meist Burgen oder reicheren Siedlungen
zuzuordnen, sind jedoch auch silbertauschierte und vergoldete Beschlagteile
und Anhänger nachgewiesen.
Hochmittelalterlicher Ritter in seltener Frontaldarstellung. Als Statussymbol
ist das Zaum- und Satelzeug des Pferdes reichlich verziert, dass Pferd selbst
zeigt die bevorzugte Fellfarbe (Schimmel mit 'Äpfelung') sowie die erwünschte
lange und lockige Mähne.
Als zusätzliche Statussymbole begleiten den Ritter seine ebenfalls auffällig
gefärbten Jagd- (oder Kriegs-?)hunde.
Bildquelle: Große Heidelberger Liederhandschrift (Codex Manesse), Codex
Palatinus Germanicus 848, Universitätsbibliothek Heidelberg, Tafel 50
Beliebte Pferdefarben, aufwendig verziertes Zaum- und Sattelzeug, sorgfältig
eingeflochtener Pferdeschweif -
demonstrative Zurschaustellung von Stand und Reichtum durch die mitgeführten
Pferde.
Bildquelle: Luttrell-Psalter. London, British Library, Add. Ms. 42130, fol.
181v. England um 1330-1340
Sir Geoffrey Luttrell mit seinen Damen. Ritter und Pferd sind nach der neuesten
Mode (für das Turnier) gerüstet und gewappnet.
Gut erkennbar sind die Hufeisen mit Stollenbeschlag, die gewaltigen Hebelstangentrense,
der Radsporn und der weit umgreifende Kastensattel, der den festen Sitz während
des Lanzenangriffs ermöglicht.
Alle nur erdenkbaren Flächen an Rüstung und Waffen sind mit dem Wappen
der Familie Luttrell geschmückt (ebenso die Surcots der Damen).
Bildquelle: Luttrell-Psalter. London, British Library, Add. Ms. 42130, fol.
202v. England um 1330-1340
Hochmittelalterliche Ritter im Lanzenturnier. Die Pferde sind ungerüstet,
aber mit aufwendigem Zaum und Sattelzeug versehen.
Man beachte auch die ausladenden Hebelstangentrensen. Beide Tiere sind eindeutig
als Hengste erkennbar.
Bildquelle: Der welsche Gast. Thomasin von Zerclaere. Cod. Pal. germ. 389. Bayern,
um 1256, fol. 42r
Entwicklung der Kavallerie
Für die Entwicklung der berittenen Krieger waren grundlegende reittechnische Innovationen ebenso ausschlaggebend wie eine Intensivierung der Pferdezucht. So ist die Entwicklung des schweren Panzerreiters mit der Lanze als Angriffswaffe ohne Steigbügel und Kastensattel undenkbar. Andererseits musste auch genügend und geeignetes Pferde’material’ hierfür zur Verfügung stehen.
Reittechnische Innovationen
Der Steigbügel erreichte
während der Völkerwanderungszeit Mitteleuropa. Er entstand in den
ersten Jahrhunderten n. Chr. in Ostasien und wurde vermutlich durch die Awaren
verbreitet. Während er im Frühmittelalter noch ringförmig war
(‚Stegreif’), nahm er ca. ab dem 9. Jh. die heutige Form an.
Die frühesten Ursprünge des Sattels
werden ebenfalls bei den asiatischen Reitervölkern vermutet, er gelangte
während der Völkerwanderungszeit nach Europa. Formal kann man zwischen
zwei Satteltypen unterscheiden, dem östlichen Zwiesel-Flügel-Sattel
und dem westlichen Gabel-Seitenbrett-Sattel (auch Bock- oder Trachtensattel).
Der Gabel-Seitenbrett-Sattel ist wahrscheinlich aus dem ursprünglichen
Packsattel entstanden. Dessen gepolsterte Seitenbretter (‚Trachten“) wurden
beibehalten, hinzu kam vorne und hinten je ein kurzes, hochstehendes Brett (der
‚Vorder-‚ bzw. ‚Hinterzwiesel’, siehe schematische Abbildung weiter unten),
der Zwischenraum wurde durch ein eingespanntes Lederstück, dem eigentlichen
Sitz, überbrückt. Die schräg gestellten Trachten verteilten das
Gewicht des Reiters unter Schonung des empfindlichen Rückgrats gleichmäßig
auf den Rücken des Tieres. Die Einheit aus diesem Sattelbaum-verstärktem
Sattel und den Steigbügeln war die Voraussetzung für die Entstehung
des europäischen Rittertums, da sie v.a. den Kampfeinsatz mit der Lanze
ermöglichte. Mit der Entwicklung dieses Kriegertyps veränderte sich
auch die Sattelform weiter: Vorder- und insbesondere Hinterzwiesel wurden als
Stütze immer höher, bis sich im Hochmittelalter der sogenannte ‚Kasten-"
oder "Lehnstuhlsattel’ entwickelt hatte. Er wurde durch breite Sattelgurte
sowie zusätzlich durch Brustriemen, teils auch Schweifriemen fixiert. Aus
der slawischen Siedlung Lieps/Hanfwerder am Tollensesee ist ein beinahe komplettes
Holzgerüst eines hochmittelalterlichen Trachtensattels erhalten (Schmidt,
1984).
Sogenannter "Lehnstuhlsattel" für den ritterlichen
Lanzenkampf.
Germanisches Nationalmusuem Nürnberg, um 1500.
Entnommen aus: Die Ritter. A. Schlunk und R. Giersch. Begleitbuch zur Ausstellung
"Die Ritter"
im Historischen Museum der Pfalz Speyer.Theisss Verlag, 2009, S. 61
Sporen kamen schon bei
den Kelten und Germanen zum Einsatz. Im Früh- und Hochmittelalter dominierte
die Stachelsporen in verschiedenen Varianten; ab dem 13. Jahrhundert sind Radsporen
nachweisbar, werden allerdings erst im 14. Jahrhundert verbreitet. Neben dem
Schwert sind die Sporen wohl das wichtigste Attribut des höfischen Ritters.
Im zeitgenössischen Bildgut wird der Gebrauch der Sporen im Kampf besonders
deutlich: Abbildungen von Ritterpferden mit blutigen Bäuchen sind keine
Seltenheit.
Radsporn aus Eisen, 15. Jh.
Historisches Museum der Pfalz Speyer. Entnommen aus: Die Ritter (s.o.), S. 53
Für Zug- und Lasttiere gab es bereits in der Antike verschiedene
Formen des Hufschutzes, die festen angenagelten Hufeisen
mit Stollenbeschlag datieren jedoch erst in das frühe Mittelalter und werden
mit dem zunehmenden Bedarf nach Militär- und Reitpferden im Hoch- und Spätmittelalter
in Europa ubiquitär. Im archäologischen Fundgut finden sich häufig
so genannte Wellenrandeisen.
verschiedene Trensenformen, Beschlägteile, Hufeisen und Stachelsporn
- Funde aus deutschen Burgen des Ruhrgebiets
Oben links: Ringtrense mit Zügelringen und Hufeisen mit Nägeln, 12.-13.
Jh; oben Mittel: Hufeisen mit Nägeln, 12. Jh.; unten link: vergoldeter
Stachelsporn, um 1230; unten rechts: figürlich verzierte Beschlägteile
und Hebeltrense, spätes 12./frühes 13. Jh., oben rechts: Montage und
Rekonstruktionsversuch am Pferdekopf. Alle Abbildungen entnommen aus: Ritter,
Burgen und Intrigen- Aufruhr 1225 (Roseni-Verlag).
Der Papst auf einem weißen Hengst auf der Flucht.
Am Maul sowie in der Flanke sind Blutspuren zu erkennen sind – das Pferd wurde
scharf geritten und Trense wie auch Sporen haben entsprechende Wunden hinterlassen.
Bildquelle: Chronica majora des Matthew Paris, England, Mitte 13. Jahrhundert
MS 16 und MS 26, Corpus Christi Library Cambridge
Blutiger Einsatz der Stachelsporen im Kampfeinsatz. Auch
hier ist wieder eindeutig ein Hengst dargestellt
Bildquelle: Kreuzfahrer- oder Maciejowskibibel. Île de France,
um 1250, folio 34 v, Pierpont Morgan Library, New York, Ms M. 638
Seltenere Darstellung eines Pferdes ohne Reiter - hier lassen sich
Sattelzeug und Zaumelemente gut erkennen,
ebenfalls die typische 'Äpfelung' des Schimmels, eine bevorzugte Fellfarbe
im Hochmittelalter.
Bildquelle: Der welsche Gast. Thomasin von Zerclaere. Cod. Pal. germ. 389. Bayern,
um 1256, fol. 115r
Zuchtgeschichte
Nach archäozoologischen Untersuchungen hatten die mittelalterlichen
Reitpferde eine mittlere WDH von 130 bis 140 cm – waren also nach heutigen Standards
eher klein, vergleichbar heutiger Pony- und Kleinpferderassen.
Die gezielte Gebrauchspferdezucht lässt sich seit dem 8. Jahrhundert n.
Chr. nachweisen. Vor allem für die militärische Nutzung wurden größere
und kräftigere Pferde benötigt. Dieses Zuchtziel gipfelt dann im ‚großen
Ritterpferd’ (equus magnus) (s.u.) des 14. Jahrhunderts, welches allerdings
nicht –wie oft fälschlich behauptet – einen Kaltblüter-Schlag darstellt.
Einzelfunde von Pferden mit einer WDH bis 160 cm belegen, dass es Zuchtbestrebungen
für größere und kräftigere Pferde gab. Kaltblut-Pferde,
also schwere und große Zugpferde, sind ein Zuchterfolg der Neuzeit und
fanden erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts große Verbreitung.
Dass Qualität und Quantität des zur Verfügung stehenden
Pferdematerials eine große Rolle spielten, zeigt sich beispielsweise in
den Kapitularien Karls des Großen. Hier werden in immerhin drei Kapiteln
(13 bis 15) die Grundlagen der gezielten Pferdezucht beschrieben: Gute Zuchthengste
wurden rekrutiert und in Gestüten eingesetzt, also gezielt mit guten Mutterstuten
verpaart, um die gewünschten hochwertigen Pferde zu erhalten. Die Hengstfohlen
mussten jeweils zum Martinstag an die Kaiserpfalz abgeführt werden.
Für die Pferdezucht wurden dann gezielt hochwertige Tiere importiert
und eingekreuzt, insbesondere Araber- und Berberpferde,
die vor allem in den spanischen Zuchtgebieten Einsatz fanden. Im Hoch- und Spätmittelalter
waren spanische Pferde aufgrund ihrer Schnelligkeit, Größe und Stärke
sehr beliebt. Spanjôl oder kastellân wurde entsprechend
zu einer festen Bezeichnung edler Pferde in Deutschland, wie die Köllner
Königschronik um 1235 bereichtet. Im Spätmittelalter wurden besonders
gerne andalusische und neapolitanische Pferde importiert, in deren
Zuchtlinien ebenfalls viel spanisches Pferdematerial einging. Auch friesische
und niederländische Pferde erfreuten sich eines gewissen Namens.
Besonders beliebt waren Pferde mit besonderer Farbe oder Zeichnung.
Diese Vorliebe zeigt sich sowohl in der höfischen Dichtung als auch in
zeitgenössischen Abbildungen – sehr oft werden gefleckte Pferde (mit ‚Äpfelung’)
gezeigt, und Helden oder hochrangige Persönlichkeiten reiten oft weiße
Pferde, ebenfalls oft gefleckt (also Apfel- oder Tigerschimmel).
In den Ritterepen wie auch in den Bestiarien wird das ideale Pferd immer wieder
beschrieben: lange, lockige Mähne und Schweifhaare, kleiner trockener Kopf,
gute Hufe etc. In der arabischen Pferdeliteratur (Quabus Nama, um 1082) wird
darauf hingewiesen, dass gute Pferde keine Behaarung an den unteren Extremitäten
aufweisen (was sich auch in den zeitgenössischen europäischen Abbildungen
wiederspiegelt) sowie schwarze Hufe haben solle. (stark pigmentierte, also schwarze
Hufe, sind wiederstandsfähiger als weiße, ungpigmentierte.)
In den mittelalterlichen Bestiarien werden vier Qualitäten gefordert: Form,
Schönheit, Temperament und Farbe. Als Farben werden Braune, Füchse,
Falben, Lichtfüchse, Isabellen, Grauschimmel, Schimmel, Schecken und Rappen
genannt.
Das typische mittelalterliche europäische Ritterpferd stellte also ein
robustes, mittelrahmiges, kräftiges Gebrauchspferd mit einem Stockmaß
um 140 – 155 cm mit oft ausgefallener Färbung dar – heute vielleicht am
ehesten mit Cobs oder Irish Tinkern vergleichbar, allerdings ohne deren ausgeprägten
Fesselbehang. Durch gezielte Einkreuzung von ‚Rassepferden’ entstanden lokal
auch größere und/oder feinrahmigere Pferde.
Die heiligen drei Könige auf ihren edlen Rössern: Falbe (Isabelfarbene,
links), Apfelschimmel (rechts) und Rotschimmel (hinten)
Bildquelle: Luttrell-Psalter. London, British Library, Add. Ms. 42130, fol.
87v. England um 1330-1340
Reitzeug, Rüstung, und Ausbildung des großen
Ritterpferdes
Das so genannte Pferdezeug (gereite) besteht aus Kopfgestell
(Zaum, zoum) samt Biss (bizz, Gebisse, Trensenformen) und
Zügeln, Sattel mit Sattelgurt (darmgurt), Steigriemen (sticleder)
und Steigbügeln (stegereif). Aus dem Spätmittelalter stammen
Belege für Berufsbezeichnungen im Zusammenhang mit Reiterzubehör:
Bizzer = Trensenmacher, Sporer = Hersteller von Sporen, Stegraiffer
= Hersteller von Steigbügeln.
Die nachfolgenden Ausführungen zur Formenkunde, Chronologie und Verwendung
des mittelalterlichen Reitzeugs beruht überwiegend auf der Arbeit von Norbert
Goßler (2011).
Gebisse:
Zumindest im Kampfeinsatz wurde der vorherrschenden Lehrmeinung nach wohl meist
auf Knebel- oder Hebelstangentrense (auch Kandare) gezäumt,
aber Ringtrensen sind sowohl im Bild- als auch im Fundgut nachweisbar.
Der hervorragenden Aufstellung Goßlers (2011) zufolge sind folgende Gebissformen
im mittlelaterlichen Fundgut aus Deutschland erhalten: Ringtrensen (eingliedrig
und, häufiger, zweigliedrig), Knebeltrensen (einteilig stangeförmig,
gebogen oder durchbrochen; zweiteilig), Hebelstangentrensen und Kandaren. Er
weist auch daraufhin, dass zwar die Darstellung von Hebelstangentrensen bwz.
Kandaren im Bildgut überwiegen mag (und evtl. symbolischen Charakter hat),
dies aber nicht der Fundverteilung entspricht (Ringtrensen sind die häufigste
Form, nachgewiesen vom 10.- 15 Jh.; Gebisse mit Hebeln sind erst ab dem 13.
Jh. sicher nachweisbar)). Dagegen sind die Mundstücke der verschiedenen
Gebißformen, selbst der Ringtrensen, häufig kantig (ca. 50 % der
Funde), tordiert (10.-13. Jh., wohl eher im Nordeuropa verbreitet) und im Vergleich
zu heutigen Gepflogenheiten vergleichsweise dünn (die mittelalterlichen
Mundstücke sind im Mittelwert 9-10 mm stark, mit Mindestwerten von 5-6
mm; heute sind Gebiss-Sträken mit mind. 14 mm angegen), so dass selbst
bei Gebrauch der einfachen Ringtrensen ohne Anzug- oder Hebeleinrichtung eine
sehr starke Einwirkung auf das empfindliche Pferdemaul erzielt werden konnte.
Dazu kommt noch, dass manche erhaltenen Ringtrensen vergleichsweise kleine Ringe
aufweisen, die ein sehr geringes Spiel im Pferdmaul erlauben und die "Schärfe
dieser Gebisse zusätzlich unterstreichen. Die wenigen erhaltenen Hebelstangengebisse
zeigen im Vergleich dickere Mundstücke, so dass der Hebeleinsatz durch
das weniger "scharfe" Mundstück ausgeglichen wurde. Die Anzüge
der erhaltenen mittelalterlichen Hebeltrensen sind ca. 10 cm lange, heute sind
für Pelhams Anzuglängen von 7 cm erlaubt. Nach Goßler ist der
versätrkte Einsatz von Kandaren- und Hebelstangengebissen ab dem 13./14.
Jahrhundert nicht im Sinne einer Raktion auf den Einsatz einer schwergepanzerten
Reitertruppe zu werten, sondern diente vermutlich der Anpassung an die Verwendung
größerer Pferde, die mit dem bis dahin gebräuchlichen Gebissspektrum
nicht mehr ausreichend gezäumt werden konnten.
Hnweise auf Gebissteile für Pack- oder mitgeführten Beipferde finden
sich möglicherweise in Funden von Gebissen, die auf einer Seite einen Ring,
auf der anderen Seite einen Knebel aufweisen; im Trensenring saß vermutlich
der Führzügel, auf der anderen Seite verhinderte der Knebel das Herausgleiten
des Gebisses. Sie könnten natürlicha auch mit einem gebisslosen Halfter
versehen worden sein.
Hebeltrense, 11./12.Jh. Kantonsmuseum Baselland, Liestal
entnommen aus: Die Ritter (s.o.), S. 53
Steigbügel:
Der Steigbügel besteht aus einer Trittfläche für den Fuß
des Reiters und einen den Fuß nach oben umfassenden Bügel, an dessen
Abschluss ein Riemendurchzug seitz, durch der am Sattel befestigte Steigriemen
geführt wird. Nach Goßler (2011) sind die erhaltenen Steigbügel
wie folgt charakterisiert: Der Riemendurchzug ist entweder deutlich vom Bügel
abgesetzt oder am bzw. im Bügel eingefügt, was Robustheit und Belastbarkeit
deutlich erhöht. Zum Schutz des Steigriemens kann am Bügelabschluss
ein so genannter Riemenschutz vorgeblendet sein. Steigbügel mit noch deutlicher
Trennung zwischen Bügel und Riemendurchzug sind im 10.-11. Jahrhundert
nachweisbar. Ab der Wende zum 11. Jahrhundert erscheinen neue Typen mit niedrigerem
Bügel und erhöhter Stabilität durch Integration des Riemendurchzugs
zuächst auf dem oberen Ende des Bügel (Schwerpunkt 12.-13. Jh.) bzw.
dann in den Bügel (13.-14. Jh.). Ab dem 13. Jahrhundert sind breitere und
teils auch schon durchbrochene Bügetrittfächen nachweisbar. Die Entwicklung
von stabileren und belastbaren Steigbügeln kann in einen direkten Zusammenhang
mit der zunehmenden Panzerung des Reiterkriegers gestellt werden; gleichzeitig
nimmt auch der mögliche Verzierungsgrad mit dem Beginn des Spätmittelalters
zu.
Sättel,
Sattelgurtschnallen und Zaumzeugschmuck:
Wie bereits erwähnt, waren für die Technik des Lanzenstoßes
besonders hohe Sättel vonnöten, die zusätzlich durch
Brustriemen (auch Vorderzeug genannt) gesichert wurden. Dazu konnten noch Schwanzriemen
mit Schlaufe und zusätzliche Flankenriemen kommen (Hinterzeug), die den
Umgang mit wilderen Hengsten erleichterten. Diese Elemente des Reitzeugs bestehen
überwiegend aus organischen Materialien wie Holz und Leder, die meist nicht
im Boden erhalten werden. Die wenigen archäologischen Funde mittelalterlicher
Sättel stammen aus Befunden mit freuchtem Bodenmilieu.
Der best erhaltene Sattelfund der hölzernen Bestandteile des Inselburgwalls
von Hanfwerder (Schmidt, 1984) wurde bereits erwähnt, hierbei sind Vorder-
und Hinterzwiesel sowie eine der beiden Satteltrachten erhalten geblieben. Die
an den den Holzteilen erhaltenen Lederreste werden entweder als Reste eines
Sattelüberzugs oder als zum Sattel gehöriges Riemenwerk interpretiert.
Der Fund wird in den Zeitraum Anfang des 11. Jahrhunderts bis 1270 datiert.
Ein weiterer hölzerner Sattelbogen (Zwiesel) stammt aus Gieskow (12.-13.
Jh.), der Scheitel ist kreisförmig gestaltet und damit Höher als das
Exemplar aus Hanfwerder. Aus der Wurtensiedlung Elisenhof blieb ein einzelnes
Sattelbrett aus Eichenholz erhalten (Mayer-Küster, 2000). Das Brett ist
spätestens im 10. Jahrhundert in den Boden gelangt, kann aber auch aus
früherer Zeitstellung stammen. Aus dem Kammergrab der Nekropole von Thymby-Bienebeck
stammen Sattelfragmente aus Nadelholz (erste Hälfte 11. Jh.), die am Rand
eine Schnitzverzierung aufweisen. Die erhaltenen Sattelbögen weisen mit
Höhen zwischen 10 und 13 cm sehr niedrige Werte auf, die nach Goßler
(2011) nicht für den Einsatz beim Frontalangriff schwerier Reiterkrieger
mit der Lanze geeignet waren. Zum Teil wurden sie mit Lederbestandteilen angetroffen,
die wiederum als Sattelüberzug gedeutet werden können. Aus dem mittelalterlichen
Greifswald sind vier unterschiedlich große Lederstücke erhalten,
die am Rand mehrere Reihen von Durchstichen aufweisen und als Sattelbestandteile
gedeutet werden könnten. Nach Goßler sind sie jedoch zu groß,
um als Lederbespannung eines Trachtensattels in Frage zu kommen. Möglicherweise
handelt es sich um Sattel- oder Pferdedecken.
Als Sattelgurtschnallen werden innerhalb der erhaltenen Schnallenspektrums vor
allem diejenigen angesprochen, die eine Bügelweite von über 5 cm aufweisen
und entsprechend robust gearbeitet sind.
Grundsätzlich entsprechen die erhaltenen Funde, die dem Zaumzeugschmuck
zugeordnet werden könne, den entsprechenden zeitgenössischen Darstellungen.
Schmückende Anhänger sind rund, dreieckig, kreuzförmig, herzförumig,
wappen- und mondsicherlförmig gestaltet. Der aus dem 10. Jahrhundert erhaltene
Zaumzeugschmuck zeigt vielfach noch formale Anklänge an frühmittelalterliche
Formen. Im 11. Jahrhundert haben sich anhand des recht spärlichen Fundmaterials
anscheinend vor allem Tiere und Fabelwesen auf Anhängern mit figürlichen
Darstellungen großer Beliebtheit erfreut, die von manchen Autoren mit
der christlichen Natursymbolik zum Beispiel des so genannten "Physiologus"
in Verbindung gebracht werden. Spätestens ab dem 14. Jahrhundert kommen
sie außer Gebrauch. Das Generalkapitel des Zisterzisienser Ordens erließ
1233 eine Verordnung, die die Verwendung "kuriosen" Brustschmucks
für Pferde verbietet - vielleicht waren damit Tier- und Fabelwesen-Motive
gemeint. Vom 12. bis 14. Jahrhundet sind Anhänger mit floralen Motiven
nachzuweisen. Ab dem 13. Jahrhundert verschiebt sich das Formensprektrum dann
deutlich; es dominieren nun Anhänger und Beschläge in Wappenform.
Riemenendbeschläge, Riemenkreungsbeschläfe für Vierer- oder Dreierriemen
und Riemenverteiler sind nachgewiesen.
Mittelalterlicher Trachtensattel oder Gabel-Seitenbrett-Sattel, nach Schmidt
(1984).
Entnommen aus Goßler (2011), S. 40
Fragment eines Kummets oder Zwieselteil eines Sattels mit Darstellung eines
Gesichts auf einem aufgenagelten Elfenbeinplättchen.
Spätmittelalterlicher Fundkomplex Stolpe in Ostvorpommern. Entnommen aus:
Archäologie unter dem Straßenpflaster. Beiträge zur Ur- u. Frühgesch.
Mecklenburg-Vorpommerns. Band 39. Archäolog. Landesmuseum u. Landesamt
für Bodendenkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin 2005, S. 148
Reste möglicher Sattelbespannungen oder von Satteldecken aus dem mittelalterlichen
Greifswald.
Entnommen aus: Goßler (2011), S. 294
Antriebsmittel - Sporen und Reitpeitschen:
Zu Sporentypen siehe oben. Das früheste Auftreten von Radsporen im mittelalterlichen
Deutschland liegt im ersten Viertel des 13. Jahrhunderts, sie kamen parallel
mit den bis dahin vorherrschenden Stachelsporen vor. Im 14. und 15. Jahrhundert
erfolgt ein ständiger Prozess der Verbesserung und Angleichung an die Erfordernisse
des Reiters bzw. der übrigen Reitausrüstung. Nach Goßler (2011)
bedeutete der Radsporen keine technische Revolution des Anspornens im Vergleich
zu den Stachelsporen, da beide Formen sehr lange parallel genutzt wurden. Der
Vorteil der Radsporen liegt darin, dass die Auftrefffläche am Pferd durch
die Mehrzahl der Stacheln am Rädchen größer wird. Der Reiz wirkt
damit vermutlich nicht so punktuell wie beim Stachelsporn, gleichzeitig wird
die Wirkung des Anspronens durch das Rädchen abgerollt und damit wohl abgemildert.
Das Auftreten von Radsproen mit langem Radhalter wird manchmal als Reaktion
auf die zunehmende Panzerung der Beine des Reiters gewertet, oder auf die Entwicklung
des Roßharnischs (s.u.). Diese Form der Radsporen tritt aber nach Goßler
(2011) bereits ab dem 14. Jahrhundert auf - also lange vor der "Hochzeit"
der Plattenharnische, als das Bein des Reiters noch ausschließlich durch
Kettenpanzer geschützt wurde. Dieser Autor legt nahe, dass es sich bei
dieser Sporenform auch um "Prachtsporen" handeln könnte, die
die herausragende Stellung des Trägers betonen sollten, oder sie wurden
vor allem bei Turnieren getragen.
Der einzige Beleg einer Reitpeitsche aus dem mittelalterlichen Deutschland stammt
aus der spätslawischen Nekropole von Usadel (angelegt Mitte des 12. Jh.).
Die Peitsche besteht aus einem hölzernen Stiel, der ursprünglich vollständig
mit Leder umwickelt war, und einem Abschluss durch ein röhrenförmiges
Buntmetallblech. Im europäischen Raum sind vermutlich nicht beide Antriebsmittel
gleichzeitig verwendet worden - die Reiter verwendeten entweder Sporen oder
Peitsche. Darstellungen vom Einsatz der Peitsche stammen meist aus dem Zusammenhang
mit Eseln oder Maultieren, sowohl im Reiteinsatz als auch bei Packtieren. Für
Reiternomadenvölker, die auch im Früh- und Hochmittelalter immer wieder
nach Europa vorstießen, waren wohl Peitschen die gängigen Antriebsmittel,
so dass diese im archäologischen Fundgut als reiternomadische Einflüsse
erklärt werden. Der Tote im Grab von Usadel trug jedoch auch zwei silbertauschierte
Stachelsporen, so dass die Zugabe der Peitsche eher als Symbol des exponierten
Ranges des Toten zu deuten ist.
Rüstungselemente:
Um die wertvollen Ritterpferde im Kampf zu schützen, wurden sie ähnlich
wie der Ritter selbst mit besonderen Rüstungselementen geschützt.
Historisch ist die Pferdepanzerung seit dem späten 12. Jahrhundert belegt,
in der höfischen Dichtung tauchen ‚eiserne Pferdedecken’ um 1200 auf. Die
zugehörigen Begriffe sind wiederum meist dem Französischen entlehnt:
kovertiure– Pferdecke, gropiere – Bugdecke, tehtier
– Kopfpanzer.
In Gebrauch war auch der Begriff Parsche für den Pferdepanzer.
Sie bestand aus Hals-, Fürbug- (Brust) und Krupp-Teilen. Im 12. und 13.
Jahrhundert waren diese entsprechend der allgemeinen Rüsttechnik v. a.
aus Kettengeflecht (auch armiertes Leder oder Stoff) gefertigt, ab dem 14. Jahrhundert
setzten sich Panzerplatten durch. Der Platten-Kopfschutz wird nun auch Rossstirn’
genannt, der Körperschutz Rossharnisch. Der Begriff harnisch stammt
ursprünglich ebenfalls aus dem Französischen, harnois bedeutete hier
die Ausrüstung des Pferdes. Durch einen Übersetzungsfehler Wolframs
von Eschenbach wurde im Deutschen der Begriff Harnisch allerdings eher für
die Rüstung des Ritters verwendet. Der Begriff Schabracke bezeichnete
ursprünglich die Satteldecke, wurde aber auch wie Kuvertüre für
Überwürfe aus Stoff bezeichnet. Kuvertüren, Sättel, Zäume
und Kopfgeschirre wurden zu Repräsentationszwecken aufwendig verziert;
oft erhielten die Pferde noch eine Kopfputz, der auf die Helmzier des jeweiligen
Ritters abgestimmt war.
Grosser Rosspanzer mit dem Wappen der Fursten von Leiningen aus der Spätzeit
des Turnierwesens, Anfang 16. Jh.
Der Rosspanzer besteht aus einer Kombination von Kettengeflecht und Plattenteilen.
Man beachte auch das Hebelstangengebiß.
Gräfliche Sammlungen im Schloss Erbach. Entnommen aus: Die Ritter (s.o.),
S. 52
Ausbildung:
Die Ritterpferde wurden vermutlich als 3- oder 4-Jährige verkauft. Bis
dahin mussten sie alle Gangarten lernen sowie durch viel gezieltes Training
sehr kräftig und ausdauernd werden. Außerdem mussten sie gegen alles
abgehärtet werden, was das Fluchttier Pferd normalerweise scheuen und ausbrechen
lässt; also Feuer, Lärm, flatternde Wimpel und Fahnen, Blut, verletzte
Menschen und Tiere etc. Dies muss man sich wohl mit einem gezielten, langsamen
Gewöhnen der Tiere vorstellen, ähnlich, wie für heutige Polizeipferde
o. ä. Das heißt, während des Trainings wurden erst in einiger
Entfernung Feuer angezündet, Lärm veranstaltet etc., bis das Tier
sich daran gewöhnt hat; dann etwas näher dran und intensiver usw.
Vermutlich wurden auch Tierkadaver ausgelegt. Die Pferde mussten sicher auch
über am Boden liegende Menschen laufen bzw. springen etc. Inwieweit die
Hengst im Kampf auch gezielt als ‚Waffe’ eingesetzt wurden und wie dieses trainiert
wurde, ist nur sehr schwer aus den Quellen nachvollziehbar.
Seltene Darstellung zweier kämpfender
Hengste neben ihren jeweiligen Rittern - Allegorie oder Realität?
Aus einem englischen Bestiarium, frühes 13. Jh., British Library, 12F XIII
Zu den Reit- und Waffenübungen des Ritters selber hier ein Auszug
aus dem ‚Königsspiegel’, einer norwegischen Handschrift aus der ersten
Hälfte des 13. Jahrhunderts:
„ Wenn Du Dich an einem Ort befindest, wo man reiten kann, und du besitzest
ein Pferd, da besteige du dein Pferd in schwerer Bewaffnung und erziehe dich
dazu, auf deinem Pferde so schön und so fest wie möglich zu sitzen.
Gewöhne deinen Fuß daran, fest in die Steigbügel zu drücken
mit gestreckten Beinen, lass deine Ferse ein wenig tiefer hängen als die
Zehen, ausgenommen nur, du müsstest nach vor einen Stoß abwehren,
und gewöhne dich, fest mit pressenden Schenkeln zu sitzen. Schütze
wohl deine Brust und alle deine Glieder mit einem gewölbten Schild. Gewöhne
deine linke Hand daran, Zügel und Schildgriff gut zu halten, und die rechte,
gut mit er Lanze einen Stoß zu führen mit vollwuchtender Bruststärke.
Gewöhne dein Pferd, gewandt zu sein in schnellen Wendungen bei vollem Lauf,
halte es immer gut im Fleisch und rein, beschlage es gut und fest und versieh
es mit aller starken und schöne Pferdeausrüstung.“
In Turnieren übten sich Ross und Reiter ursprünglich für den
Kriegsdienst. Die Sieger gewannen Ausrüstung und Pferd(e) des Besiegten,
was – neben dem Prestige - einen enormen finanziellen Gegenwert darstellte.
An Turnierpferde wurden oft besondere Anforderungen gestellt: häufig war
deren Größe vorgeschrieben, sie mussten gleichmäßige,
saubere Gänge haben und in der Lage sein, frontal auf einen Gegner anzusprengen
ohne auszubrechen. Da nicht jeder der Turnierenden ein geeignetes Pferd besaß,
stellte mitunter der Einladende Pferde zur Verfügung oder man lieh sich
Pferde von einem befreundeten Ritter. Erfolgreiche Turnierpferde durchliefen
ein anderes Training als Kriegspferde, waren sehr wertvoll und wurden daher
i.d.R. nicht mehr für den Kriegsdienst, sondern eher für die Zucht
eingesetzt.
Ritter im Einsatz gegen Fußkämpfer. Hier ist einmal ein Rotschimmel
dargestellt.
Bildquelle: Der welsche Gast. Thomasin von Zerclaere. Cod. Pal. germ. 389. Bayern,
um 1256, fol. 116r
Ritter auf ‚großen Ritterpferden’ im Einsatz – man beachte die dargestellten
bevorzugten Pferdefarben; die Pferde sind nicht gerüstet.
Bildquelle: Willehalm-Handschrift, Österreichische Nationalbibliothek ;
cod. 2670 ; fol. 4r
Hochmittelalterliches Schlachtengetümmel – deutlich erkennbar Sattelung
und Zäumung sowie die Wunden, die die Pferde - hier noch ohne Rüstung
- im Einsatz ertragen mussten:
hier (Mitte) eine blutige Kruppenwunde, die vermutlich durch ein gegnerisches
Schwert verursacht wurde.
Bildquelle: Kreuzfahrer- oder Maciejowskibibel. Île de France, um 1250,
folio 34v, Pierpont Morgan Library, New York, Ms M. 638
Hochmittelalterliche Turnier- oder Schlachtdarstellung.
Die Pferde tragen reich verzierte Kuvertüren, rechts anscheinend mit Feh-Pelz
verbrämt; e
s ist nicht erkennbar, ob darunter noch weitere Rüstungselemente angelegt
wurden.
Bildquelle: Große Heidelberger Liederhandschrift (Codex Manesse), Codex
Palatinus Germanicus 848, Universitätsbibliothek Heidelberg, Tafel 25
Die zwei Abbildungen von Rittern aus einer belgischen Handschrift des späten
13. Jh. zeigen Pferde in großer Aktion - ähnlich entsprechender 'Dressur-Figuren',
wie sie heute beispielsweise in der sogen. Hohen Schule gezeigt werden. Inwieweit
Pferde gezielt zum Kampf eingesetzt wurden und ob sich diese Dressur-Figuren
tatsächlich aus dieser Tradition ableiten lassen, ist nur schwer belegbar.
Gezeigt werden zwei Schimmel, einmal mit deutlich erkennbaren Brust- und Krupp-Gurten,
einmal mit großer Kuvertüre; beide sind deutlich beschlagen.
Bildquelle: Manuscript M.155. Pierpoint Morgan Library, Liège, Belgien,
um 1290-1305
Ein Ritter als Allegorie des Springers aus einem Schachbuch des späten
14. Jahrhunderts.
Man beachte die Kettenpanzerung des Pferdes unter der Kuvertüre.
Originalbeschreibung: „Der ritter soll sitzen uf enne roß das sol sin
v’decket mit enne isenin v’deckede Er sol au haben eine gantze harnasch.“
Bildquelle: Kunrat von Ammenhausen – Das Schachzabelbuch. Russische Nationalbibliothek,
St. Petersburg
Dieser Artikel erschien bereits
in gekürzter Form in:
Hirschberg, R. M. (2011): Dextrarius - Das große Ritterpferd. Karfunkel
- Combat 7:40-43(ISSN 0944-2677)
Quellen und weiterführende Literatur:
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Norbert Goßler. Untersuchungen zur Formenkunde und Chronologie mittelalterlicher Stachelsporen in Deutschland (10.-14. Jahrhundert). Bericht der Römisch-Germanischen Kommission 79 (1998), 479-664
Norbert Goßler. Reiter und Ritter. Formenkunde, Chronologie, Verwendung und gesellschaftliche Bedeutung des mittelalterlichen Reitzubehörs aus Deutschland. Beiträge zur Ur- und Frühgescichte Mecklenburg-Vorpommerns, Band 49. Schwerin, 2011
Norbert Goßler. Mittelalterliches Reiterzubehör aus Berliner Grabungen. 11. Berliner Archäologentag, 7. Nov. 2007 (Vortrag). Internetpublikation: http://www.stadtentwicklung.berlin.de/denkmal/archaeologentag/2007/download/vortrag_gossler071107.pdf (13.03.2013)
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Frank Meier. Mensch und Tier im Mittelalter. Thorbecke Verlag, Ostfildern, 2008
Ritter, Burgen und Intrigen: Aufruhr1225. Entdeckungsbuch - Lesen - Erkunden - Verstehen. Entdeckungsbuch für Kinder anlässlich der Erlebnisausstellung im LWL-Museum für Archäologie in Herne 27.02. bis 28.11. 2010, Roseni-Verlag, Hamm
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