Rekonstruktionsversuche zur Tracht der slawischen Bevölkerung der Mark Brandenburg im Hochmittelalter

Stand: März 2006

Siehe hierzu auch den entsprechenden ausführlicheren Artikel unter 'Kostümkunde und Sachkultur' in der Galerie-Sektion unserer Homepage.

Unter der Herrschaft der Askanier wurde die Mark Brandenburg gezielt mit deutschen Bauern und Handwerkern besiedelt. Siehe hierzu auch: Geschichte der Mark Brandenburg im Mittelalter . Im Laufe dieser sogenannten Ostkolonisation wurde die ursprüngliche einheimische slawische (oder wendische) Bevölkerung teils vertrieben, zum großen Teil jedoch in die neu entstehenden Siedlungen integriert. Siedelten sich die deutschen Landsassen in der Nähe bereits existierender slawischer Siedlungen an, bestanden häufig zwei getrennte Dorfteile nebeneinander, jeweils mit überwiegend deutscher bzw. mit slawischer Bevölkerung. Die slawischen Siedlungsteile wurden deshalb häufig durch den Zusatz "alt"- bzw. "wendisch"- oder -"Wendorf" gekennzeichnet. In neu angelegten Siedlungen stellte die slawische Bevölkerung wohl auch einen Teil der Kossäten des Dorfes. In Burgsiedlungen sowie in Städten bewohnte die slawische Bevölkerung häufig ebenfalls separate Siedlungsteile, oft entsprechend der ursprünglichen slawischen Siedlungsweise am Wasser gelegen und als sogenannte Kietze bezeichnet. Vergleiche hierzu: Die Organisation der märkichen Dörfer.

Hinweise auf Besonderheiten der norwestslawischen Tracht verdanken wir vor allem der Tatsache, daß die Christianisierung in den genannten Regionen in der Zeit vom 11. bis zum frühen 13. Jahrhundert voranschritt und entsprechend im selben Zeitraum ein Übergang von der Vorherrschaft der Brandbesttattung bzw. Bestattung mit reichlichen Grabbeigaben (slawischer Ritus) zur Dominanz der Körperbestattung ohne Grabbeigaben (christlicher Ritus) stattfand. Daß der Prozeß der Christianisierung nur allmählich vonstatten ging, kann aus den im frühen 13. Jahrhundert noch reichlich vorhandenen Beigaben (meist mit Talismanfunktion) in spätslawischen Körpergräbern abgelesen werden. Funde aus diesen Gräbern geben Aufschluss über die spätslawische Sachkultur und "typische" Trachtbestandteile (siehe z. B. Biermann, 2003; Geisler und Grebe, 1993; Grebe, 1991; Hermann, 1962), wobei archäologische Funde aus den der Mark Brandenburg benachbarten slawisch besiedelten Gebieten Mecklenburg, Pommern, Polen, Lausitz etc. - siehe hierzu auch Die politische Situation in und um die Mark Brandenburg im 13. Jahrhundert - berücksichtigt werden können.

Neben dem archäologischen Fundmaterial können weitere wertvolle Hinweise aus den Bild- und Schriftquellen der Zeit entnommen werden.

Die obige Abbildung stammt aus der Heidelberger Handschrift des Sachsenspiegels (siehe auch den entsprechenden Artikel in der Rubrik Sachthemen unserer Homepage: Der Sachsenspiegel ) und stellt eine Hochzeitsszene innerhalb der slawischen Bevölkerung dar.

Die Slawin ist durch Kopftuch, Stirnriemen und insbesondere durch die sogenannten Schläfenringe charakterisiert. Dieses besondere Accessoire der Kopftracht findet sich nur im slawischen Kulturkreis, und in archäologischen Grabungsbefunden werden Schläfenringe (ebenso wie Reste der typischen slawischen Standbodenkeramik) als ethnognomonisches Merkmal für die slawische Bevölkerung angesehen.

Für das 12. und frühe 13. Jahrhundert scheinen im Fundgut große hohle bzw. kleinere massive Ringe, meist mit S-förmigem Ende zu dominieren (siehe Abb.1). Oft bilden mehrere derartige Ringe, z. T. unterschiedlicher Typen, eine Garnitur (Biermann, 2003).

Die slawischen Männer werden in der Handschrift des Sachsenspiegels durch die auffallenden schräg gestreiften Beinlinge sowie die im Nacken hoch ausrasierte Haartracht charakterisiert.

Die restliche Kleidung der Slawen scheint sich nicht wesentlich von den Trachtbestandteilen der deutschen Bevölkerung zu unterscheiden.

Aus archäologischen Funden ist bekannt, daß im slawischen Raum besondere Messer- und Messerscheidenformen und typische Scheidenbeschläge vorherrschten, die sie von denjenigen "westlicher", also deutscher Machart unterscheiden (siehe hierzu auch die entsprechenden Artikel in der Rubrik Sachthemen: Messerformen im Hochmittelalter bzw. Messerscheiden im Hochmittelalter . Wie in der deutschen Tracht wurden auch bei den Slawen die Messer am Leibgürtel befestigt. Zusätzlich wurden noch weitere Gegenstände des täglichen Gebrauchs wie Wetzsteine oder Feuerstähle am Gürtel getragen (Biermann, 2003).

Eine weitere Besonderheit der slawischen Tracht ist ein Halsschmuck in der Form von Perlenketten (siehe Abb. 2) bzw. auf Buntmetall-Halsringe aufgezogenen Perlen. Als Perlenmaterial wurde Glas, Bernstein, Schmucksteine, Bein etc. verwendet, anscheinend regional unterschiedlich (Biermann, 2003).

Auch Fingerringe scheinen bei den Spätslawen verbreitet gewesen zu sein. Formen und Materialien variieren, oft Buntmetallringe (siehe Abb. 3) und als Besonderheit des slawischen Raums im 11. und 12, Jahrhundert auch häufig Glasringe (siehe Abb. 4).

Glasringe wurden wohl auch für die Kopftracht verwendet, wie ein Fund aus Berlin-Spandau vermuten lässt (Grebe, 1991).

Abb. 1: Typische Form spätslawischer Schläfenringe. Aus: Bürger, Bauer, Edelmann – Berlin im Mittelalter.

 

Abb. 2: Slawische Kette und Perlen; Schatzfund aus Tornow, 11. Jh. Aus: Geisler und Grebe, 1993

 

Abb. 3: Bronzene Fingerringe; Brandenburg, 11./12. Jh. Aus: Grebe, 1991

 

Abb. 4: Farbige Glasringe. Brandenburg, 11./12. Jh. Aus: Grebe, 1991

 

 

Im Folgenden nun zwei Fotos der Rekonstruktionsvorschläge für die spätslawische weibliche Tracht von Sylvia Crumbach. Besondere Beachtung verdienen die Stirnriemen mit den Schläfenringen sowie die Perlenkette. Das Oberkleid ist am Halsausschnitt mit einer einfachen Stickerei verziert.

 

 

Weitere Informationen zur Rekonstruktion der Sachkultur der Nordwestslawen im Mittelalter sowie Kontaktaufnahme mit Sylvia Crumbach unter: http://www. folgari.de

Kleidungsrekonstruktionen: Sylvia Crumbach (Projekt Folgari, Duisburg)

Text: Ruth Hirschberg

Fotos: Joachim Meinicke

Für die vielen sachdienlichen Hinweise, für die Bereitschaft, sich als Model zur Verfügung zu stellen J ebenso wie für die immer wieder wunderbare Zusammenarbeit danken wir insbesondere Sylvia Crumbach wie auch allen anderen Mitstreitern des Projekt Folgari!

Literatur:

 

 

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